Hunde.com Startseite Das neue Hundeforum - jetzt anmelden!
Google
   Home - Hunderassen - Züchter - Urlaub - Magazin (Archiv) - Kleine Hundeschule - Belana's Tagebuch - Gästebuch - Hundeforum (Archiv) - Impressum




01.06.99 -- Markus_Scheller

Gedanken zur Schutzhundausbildung

Gedanken zur Schutzhundausbildung

 














Liebe Forumsmitglieder

Vor ein paar Wochen habe ich mit Interesse die Diskussion über die Schutzhundausbildung verfolgt. Leider komme ich erst heute dazu, meine Gedanken zu diesem Thema in Worte zu fassen und ins Forum zu stellen:

Es ist von mehreren Personen so dargestellt worden, daß die Schutzhundausbildung (in der Folge SH-Ausbildung), wenn sie denn vernünftig erfolgt, sich keineswegs negativ auf den Hund auswirken kann.

Diese Behauptung halte ich für sehr gewagt.

Fakt ist, daß Hunde, die eine vernünftige Sozialisationsphase durchlaufen haben, über eine gewisse Beißhemmung verfügen. Bei der SH-Ausbildung wird nun der Beutetrieb des Hundes verstärkt, und er wird darauf trainiert zuzubeißen und vor allem, sich bis auf weitere Kommandos auch festzubeißen. Dies allein zeigt schon, daß hier Einfluß auf das Wesen des Hundes genommen wird.

Als Argument, daß dies nicht so schlimm ist, wurde von den Befürwortern der SH-Ausbildung unter anderem angeführt, daß der Hund ja lediglich auf den Schutzärmel fixiert ist. Wenn dieser Ärmel von dem Ausbilder abgelegt wird, richtet sich der Hund auch nicht gegen den Ausbilder, sondern weiterhin nur auf den Ärmel. Das heißt im Umkehrschluß, daß der Hund gegen den Ausbilder auch nicht vorgeht, solange dieser keinen Ärmel trägt. Soweit OK, aber was bitte schön ist denn das für eine SH-Ausbildung? Ziel ist es letztlich doch, daß der Hund seine Rudelmitglieder, sprich seine Menschen, auch beschützt. Dazu muß er einen Angreifer aber auch beißen, wenn dieser keinen Ärmel trägt. Ich kann ja schlecht sagen: „Halt, bevor du mich mit deinem Messer abstichst mußt du erst diesen Ärmel anziehen.” Wenn der Hund hier also nicht eingreift, so ist davon auszugehen, daß von einer durchlaufenen „Schutzhundausbildung” nicht die Rede sein kann.

Führt die Ausbildung aber zum Ziel, d.h. der Hund verteidigt seinen Hundeführer, und das in der, während der Ausbildung erlernten, Art so ist es diesem Hund einerlei, ob der Aggressor einen Schutzärmel trägt oder nicht. Sein Akt der Verteidigung richtet sich gegen den angreifenden Menschen. Und wenn die Ausbildung wirklich gut war, so wird dieser Verteidigungsakt auch gegen den angreifenden Arm des Agressors gerichtet sein, wie gesagt egal ob mit oder ohne Ärmel!

Das heißt aber, das der Hund möglicherweise einen Teil seiner ursprünglichen Beißhemmung verloren hat. Das wäre im Ernstfall ja auch erwünscht, schließlich ist ja lange Zeit extra dafür trainiert worden. Fakt ist aber auch, daß der Hund nach einem gewissen Schema handelt. Wer sich in der Schule oder weiteren Ausbildungsteilen mit der Lehre der Konditionierung herumquälen mußte, der weiß, das Hunde auf gewisse Reize reagieren. So läßt er sich durch positive und negative Verstärkungen bestimmte Dinge beibringen. Dazu gehören auch sämtliche Ausbildungen, die ein Hund durchlaufen kann - so auch die SH-Ausbildung. Hier erlernt der Hund auf einen bestimmten Reiz eine bestimmte Reaktion zu zeigen, nämlich z.B. einen Angreifer, der sich in einer typischen Art nähert (Reiz), in einer bestimmten Art und Weise zu bekämpfen (Reaktion, hier z.B. Biß in den Arm).

Mir stellt sich die Frage, wie der Hund die Reize, die auf ihn einströmen, selektiert. Schließlich verfügt er nicht über die Intelligenz, mit der die Menschen ausgestattet sind (auch wenn man manchmal glaubt, Außnahmen vor sich zu haben, Hihi). Der Hund ragiert instinktiv. Das kann er gut, seine Instinkte sind vielfach besser als die unseren. Er wird sich also selten irren, unfehlbar ist er aber nicht. Daher halte ich es für möglich, daß ein Hund, der gelernt hat, auf bestimmte Verhaltensweisen eines Angreifers zu reagieren, sich auch einmal irrt. Hier wird möglicherweise irgendwann einmal zufällig ein Reiz ausgelöst, der eine Reaktion im Hund hervorruft, die in dieser speziellen Situation gar nicht erwünscht war. Vielleicht ein denkbares Beispiel:

Ein Kind läuft mit einem über dem Kopf erhobenen Gegenstand, vielleicht auch noch schreiend oder kreischen auf den Hund zu oder auch nur dicht an ihm vorbei. Kinder handeln schließlich oft unüberlegt und wissen nicht, was in einem Hund vorgehen kann. Irrt der Hund in der Bewertung dieser Aktion, d.h. in ihm wird ein Instinkt geweckt der den oben beschriebenen Reiz auslöst, so kann es vielleicht doch einmal dazu kommen, daß der Hund jetzt das Verhalten an den Tag legt, welches er gelernt hat. Er verteidigt, indem er in den Arm beißt.

Ich glaube zwar nicht, daß dies oft der Fall ist, aber ich halte es für möglich. Daher finde ich es nicht richtig zu sagen, „SH-Ausbildung kann sich nicht negativ auf den Hund auswirken” Ich denke, daß sehr wohl unerwünschte Reaktionen, auch bei sehr gut ausbebildeten Hunden auftreten können. Die Betonung liegt bei Können. Es ist auch nicht mein Ziel die SH-Ausbildung zu verteufeln, aber so wie sie hier teilweise dargestellt wurde, sehe ich sie nicht.

Ähnlich sehe ich es auch bei der Fährtenausbildung. Hier bin ich der Meinung, daß derjenige, der eine solche Ausbildung mit seinem Hund betreibt, auch mögliche Folgen bedenken muß. So glaube ich, daß bei dem ein oder anderen Hund durch die Fährtenausbildung der Trieb zum Jagen und Stöbern erst geweckt wird. Ich bin heilfroh, daß unser jetzt vier Jahre alter Dalmatiner (Bild anbei) einen sehr schwach ausgeprägten Jagd- und Beutetrieb hat. Das macht meine oft langen Wanderungen durch die heimischen Wälder zu entspannten Gängen. Ich brauche mir keine Sorgen darüber zu machen, ob mein Hund beim Anblick von Rehwild vielleicht die nächsten zwei Stunden im Unterholz verschwunden ist. Er interessiert sich halt nicht sonderlich dafür. Nur würde ich niemals mit meinem Hund eine Fährtenausbildung durchführen, da ich befürchte, daß ich damit sein Interesse an derlei Dingen erst wecken könnte. Wenn er überhaupt mal hinter einem Karnickel herläuft, dann maximal auf Sicht. Sobald es in irgendeinem Gesträuch verschwunden ist bricht er von alleine ab. Habe ich meinen Hund aber auf der Fährte ausgebildet, so muß ich vielleicht damit rechnen, daß er dieser Spur ersteinmal folgt. Selbst viele Jäger schaffen es nicht ihren Hund zurückzurufen, wenn dieser ersteinmal auf einer Spur ist.

Daher denke ich, daß derjenige, der seinen Hund ausbilden möchte, sich zunächst auch Gedanken darüber macht, was er sich von der Ausbildung verspricht und auch mögliche Folgen bedenkt. Im Bereich der Unterordnung und des Aglility´s gibt es auch genügend Möglichkeiten seinen Hund zu beschäftigen. Spezielle Ausbildungen, wie die beiden oben genannten, sollten nach meiner Ansicht auch wirklich nur mit solchen Hunden durchgeführt werden, die auch später in diesem Bereich eingesetzt werden sollen.

Über Antworten und sachliche Kritik an meinen Gedanken freue ich mich jedenfalls.

Markus
  1.6.99Gedanken zur Schutzhundausbildung     
  2.6.99RE: 1   
  2.6.99RE: 2   
  7.6.99RE: 3   
  8.6.99RE: 4   
  8.6.99RE: 5   
  10.6.99RE: 6   
  28.9.99RE: 7 Brigitte  


 
Copyright 1996-2020 Thomas Beck