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Tach allerseits,
wie der einen oder dem anderen aufgefallen sein dürfte, habe ich mich in den letzten Tagen hier unter dem (zwar so unausgesprochenen, jedoch unübersehbaren) Motto ''Kampf dem Kampfhund'' engagiert. Die von mir hier vertretene Position basiert im Kern auf der These, daß Aggression als Verhaltensmerkmal bei bestimmten Hunderassen in einem Ausmaß genetisch festgelegt (d.h. angeboren) ist, welches ein Verbot dieser Rassen (bis zur Tötung von bereits lebenden Individuen) als das Mittel der Wahl zur Bekämpfung dieses Problems nahelegt. Ich wäre auch bereit, diesen Standpunkt kompromisslos weiter zu vertreten, wenn sich eben diese These als richtig erweist - allerdings bin ich diesbezüglich doch etwas ins Grübeln gekommen.
Auslöser für meine Zweifel war - neben einigen wenigen Repliken auf meine Beiträge in diesem Forum - die Lektüre des Beitrags von Dr. Dorit Feddersen-Petersen, veröffentlich unter http://members.tripod.de/Tierheim_Hilden/Kampfhunde3.htm (auf die ich freundlicherweise in einem Posting hingewiesen wurde). Auf die detaillierte Zitierung von Einzelheiten will ich hier verzichten; die Kernaussage lautet, daß es - entgegen meiner bisherigen Ansicht - keine gefährlichen Rassen, sondern nur gefährliche Individuen gibt. Das Aggressionsverhalten ist - lt. Frau Feddersen-Petersen - eine derartig komplexe Verquickung genetischer Anlagen und individueller Sozialisation, daß die Rassenzugehörigkeit allerhöchstens (wenn überhaupt) als Indiz, nicht jedoch als Beweis für ein potentiell gefährliches Verhalten herangezogen werden kann.
Wenn man sich diese Ansicht zu eigen macht, dann erscheinen natürlich die jüngst erlassenen Verbotslisten in der Tat als am-Ziel-vorbeigeschossen. Gibt es tatsächlich nur gefährliche *Individuen*, dann wäre der artgerecht und kompetent gehaltene und damit für die Öffentlichkeit harmlose Pitbull (eine Formulierung, die mich Überwindung kostet - aber vielleicht gibt''s sowas wirklich) ebenso zu unrecht betroffen wie der ''scharf'' gemachte Schäferhund aus womöglich bereits degenerierter Linie zu unrecht ''davonkäme''.
Unter diesen Voraussetzungen wäre es natürlich angemessener, die *Haltung* von Hunden einer rigorosen Kontrolle zu unterziehen. Nach Lektüre des genannten Artikels habe ich mich allerdings gefragt, welche Voraussetzungen ein ''verantwortungsvoller'' und ''kompetenter'' Hundehalter eigentlich erfüllen muß - denn die Formulierung dieser Voraussetzungen wären ja wohl ein wesentliches Element der Prüfung für den sog. ''Hundeführerschein''. Ich befürchte nämlich, daß die wenigsten Hundehalter die in dem Beitrag geschilderten sozio-biologischen Vorgänge bei der Hunde-Sozialisation (in Verbindung mit einer nun doch in Grundzügen angeborenen Verhaltensdisposition) durchschauen. Wie sieht - so frage ich mich - der geeignete Halter für einen Pitbull, wie der für einen Pudel oder Zwergpinscher aus? Hand aufs Herz: Wer von Euch hier ist sich darüber im klaren, daß ein ''hoher sozialer Status in der Familie'' einen Hund zur Gefahr macht - und zwar *innerhalb* der Familie? Wer weiß, wie sich ''hoher sozialer Status'' für seinen Hund definiert und wie man diesen folgerichtig vermeidet? Wer weiß wirklich, wie hoch die ''Auslastung'' seines Hundes rassebedingt sein muß, damit es nicht zu ''Verhaltensfehlentwicklungen aufgrund inadäquater, immer gleicher Umgebung (Reizarmut)'' kommt, die in ''plötzliche Attacken und Ernstkämpfe'' umschlagen (apostrophierte Teile zitiert aus o.g. Beitrag) ? Welche Ausbildung müßte denn ein Hundehalter (analog zur Fahrschule) zukünftig durchlaufen, wenn er die Prüfung des ''Hundeführerscheins'' bestehen möchte?
Bevor ich jetzt eine Fülle von Ich-weiß-was-für-meinen-Hund-gut-ist-Antworten bekomme: Ich will niemandem hier die Kompetenz für seinen Schützling absprechen - schließlich kenne ich Euch und Eure Hunde ja gar nicht. Aber sagt mir: Glaubt Ihr, daß eine solche Individualkontrolle tatsächlich möglich ist? Und würdet Ihr, die Ihr mit dem Besitz Eurer Hunde nur die lautersten Absichten verbindet, Euch auch dem Urteil ''durchgefallen'' beugen, wenn Ihr diese Prüfung nicht bestehen würdet? Würdet Ihr die vermutlich zwangsläufig enstehenden Kosten für Erwerb und Erhalt dieses Führerscheins auch tragen wollen? Und - was würdet Ihr tun, wenn Euer Nachbar in Ermangelung eines solchen Führerscheins *trotzdem* einen Hund halten würde?
Fragen über Fragen stellt sich im Augenblick der etwas ins Grübeln gekommende
Sangus
P.S.: In Hinblick auf den sicher schweren Stand, den Hundebesitzer im Augenblick in der Öffentlichkeit haben, erlaube ich mir noch folgenden (wirklich gut gemeinten) Appell an Euch zu richten:
1. Laßt - um Gottes willen - das 3. Reich aus dem Spiel
Hier und anderen Ortes wird in jüngster Vergangenheit immer wieder eine unselige Brücke zum 3. Reich geschlagen - teils offenkundig, teils etwas verdeckt durch die Verwendung von so schauderhaften Begriffen wie "Endlösung". Laßt das sein! Jede Form dieser Anleihen sind unerhört geschmacklos, unzutreffend und Eurer Sache ganz sicher nicht dienlich.
2. Leint Eure Hunde an
Nehmt zur Kenntnis, daß andere Menschen Angst vor Euren Hunden haben - und es ist völlig gleichgültig, ob Eurer Meinung nach zu Recht oder zu Unrecht. Verschont uns Nicht-Hundebesitzer mit den sattsam bekannten Kommentaren wie "Der tut nichts" oder "Er will nur spielen" - findet Euch damit ab, daß wir Euch nunmal vorsichtshalber nicht glauben oder einfach nicht spielen möchten. Auch das Schnüffeln an Beinen oder Geschlechtsteilen - in Euren Augen ganz normales Hundeverhalten - kann mit Recht als Belästigung empfunden werden.
3. Schimpft nicht auf die Medien
Wer sich über eine polemische Berichterstattung in Medien wie der ''Bild''-Zeitung oder ''RTL-Explosiv'' beschwert, der wundert sich vermutlich auch darüber, daß es soviel Sand in der Wüste gibt. Wenn Ihr die Medien scheltet, dann greift Ihr alle an, die sich über diese Medien informieren - und von denen wird Euch dann erst recht keiner mehr Gehör schenken.
In diesem Sinne verbleibe ich bis auf weiteres
d.o.
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