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11.01.00 -- Thomas Luening

Re: Unterschiedliche Methoden für unterschiedliche Hundecharaktere?














»Am Mon, 10 Jan 2000 19:12:48 +0100 schrieb Helmut Steinberger :
OK, lassen wir das. Wir hatten das Thema schon mal. Eine interessante Frage. Ich muß zugegeben, daß ich an dieser Stelle nichts anderes machen würde, als Du jetzt ebenfalls tust. Das Fuß- Kommando also mit Nachdruck durchsetzen. Aber...... .....versuchen wir, das Problem mal von anderer Seite zu betrachten.
Kennst Du dieses Flyball-Maschinen? Das sind so kleine Katapulte, bei denen der Hund mit einem Sprung auf die Auslöseplatte den Ball rauskatapultieren kann. Er fängt ihn und flitzt damit über 3 Hürden zurück. Ganz viele Hunde brauchen kein Befehl, um dieses Teil zu bedienen. Man stellt es hin, die Hunde betätigen es von sich aus, weil das 'Tun' an sich Freude macht. Genauso wie Kira's Biß in den Ärmel. Sie tut es von sich aus und würde sogar aktiv etwas unternehmen, damit es ihr möglich ist. Das bedeutet, sie würde sogar versuchen, durch eigeninitiierte Einwirkung dieses lustbetonte Empfinden des Ärmels herbeizuführen. Also selber die Situation von sich aus beeinflussen, - stimmt doch, oder? Nun stell Dir folgende theoretische Situation vor. Der Helfer befindet sich hinter einem Gitter. Der Hund kommt nur an den Helfer ran, wenn er vorher über einen Mechanismus (ähnlich der Flyball-Maschine) das Gitter zur Seite fährt. Die böse Falle dabei ist: Du befindest Dich mit Kira genau in der Mitte zwischen Helfer und Auslöser. Also müsste Kira zunächst vom Helfer weggehen, den Auslöser betätigen um sich dann endlich den Helfer schnappen zu können. Das Hunde den Auslöser betätigen können, um an ihr 'Triebziel' zu kommen, ist ja bei Flyball bewiesen. Also könnte Kira das auch erlernen, um an den Ärmel zu kommen. Wieviel Zwang und Schmerz brauchtest Du, um diese Lernaufgabe *jetzt*, beim derzeitigen Ausbildungstand von Kira zu bewältigen? Sie will unter allen Umständen nun zum Helfer hin, darf es aber nicht, weil sie zunächst das Gitter betätigen muß. Du brauchst vermutlich soviel Einwirkung, daß sie mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit hinterher etliches weniger an Freude am 'Beissen' hat. Bei Deinem Fusskommando brauchst Du schon Einwirkung, wieviel mehr brauchst Du, um erst vom Helfer wegzugehen und erst über das Weggehen die 'Erlaubnis' des Beissens zu erhalten. Nicht nur das Weggehen muß gelernt werden, sondern zudem auch noch eine neue Aufgabe, also Lern-Konzentration trotz Helfer-Ablenkung. An dieser Stelle muß man doch wohl ganz klar zum Schluß kommen, daß die vorherige Aufbauarbeit für *diese* theoretische Übung vollkommen falsch war. Ich hoffe, Du stimmst mir zu. Richtig wäre es gewesen, dem Hund zunächst den Auslösemechanismus zu zeigen und bei richtiger Handhabe als Belohnung den Ärmel zu bieten. Hat der Kira das begriffen, könnte sie genausogut lernen, hintereinander 3 Auslöser zu betätigen, um den heißgeliebten Ärmel zu kriegen. Sie wird es garantiert lernen. Und jetzt lösen wir uns von dem mechanischen Schalter. Wir nehmen anstatt der Auslöseplatte einen optischen Auslöser. Kira muß lernen, sich vor dem Auslöser hinzusetzen, erst 1 Sekunde, dann 2, dann 5, dann vielleicht 10. Sie wird die Ruhe lernen, weil sie nur damit den Erfolg des Ärmels hat, und der ist das Triebziel. Sie wird es lernen, weil sie es will, weil sie unbedingt an den Ärmel will. Und als nächstes lösen wir uns von dem optischen Auslöser und nehmen einen visuellen Auslöser. Das bedeutet, Kira muß erst 1 Sekunde, dann 2, dann 5, dann 10 Sekunden in ein Objektiv schauen. Das Objektiv ist gnadenlos, es fährt das Gitter erst zur Seite, wenn sie freiwillig die geforderte Zeit in das Objektiv geschaut hat. Auch das wird sie problemlos lernen. Es ist wie mit der Viehtränke. Die Kuh hat Durst! Will sie trinken, muß sie was tun, und zwar den Schieber der Tränke bedienen. Kira hat keinen Durst, aber Hunger, Hunger auf den Helfer, also wird sie problemlos lernen, ihren 'Schieber' zu betätigen. Und ganz zum Schluß lösen wir uns von dem meachnischen optischen Auslöser und ersetzen diesen durch einen biologischen optischen Auslöser - nämlich meine Augen, nämlich Blickkontakt. Wir machen das ständig, der Blickkontakt wird zum 'Schalter', ist 'Schalter'. Erst ein Blinzeln, dann 1 Sekunde, dann 2, dann 5 , dann 10, dann beim Laufen, - fertig ist das Fusskommando. Nicht aus Zwang, sondern weil der Hund das *so* *will*. Uninteressant, die Lehrmethode ist immer gleich, ob Mechanik oder nicht. Lediglich die Konsequenz des Schalters ist Garant für Erfolg oder Misserfolg. Uuups, genau hier an dieser Stelle wird mal also fest- stellen, daß bei vorheriger anderer/besserer Aufbauarbeit die jetzt notwendige heftige Einwirkung vollkommen über- flüssig wäre - oh, shit aber auch......... Der Unterschied ist, nicht die falsche Aktion des Hundes reaktiv mit einem aversiven Reiz zu verbieten, sondern aktiv dem Hund Informationen über das einzig erfolgreiche zu geben. (BTW: Hallo Christian Weiss! Hast Du meine spinnerten Gedanken hier vielleicht auch gelesen? Gerade Deine Meinung würde mich (neben Helmut's) auch interessieren. ) Wessen Nutzen? Deinen im Sport oder das des Hundes, beim befolgen alltäglicher Regeln in unserer aller Zivilisation? Danke! Dafür das Du es zugibst. Es ist eben immer eine Gratwanderung. Wieviele Sportler können das so ausgewogen in Ergänzung zur postiviten Motivation, möglicherweise sogar tatsächlich zeitlich kongruent zur Tat und zur Intention? Wieviele können das wirklich? Ich bin der Überzeugung, daß es nur ne Handvoll Leute sind. Das, und die Beschreibung dessen, was Du sonst noch so tust, reicht mir aus, um anzunehmen, das es ziemlich ok ist. Nein, natürlich nicht. Schmerz ist aber Vermeidungslernen. Der Hund vermeidet etwas über den Schmerz. Man muß sich die Frage gefallen lassen, ob das eben die richtige Methode ist und ob es nicht vielleicht doch anders geht. Nein, stimmt so nicht! Zumindest nicht nach meiner Intention. Die sind für mich irrelevant. Also wie gesagt, ich betrachte nicht die Ausbildung, in der dem Hund 'starke' Schmerzen zugefügt werden. Ich betrachte nur die Ausbildung, in dem der Hund überweigend über aversive Reize unterrichtet wird - unabhängig von der Dosis, von der Intensität, von der Dauer. Um das zum wiederholten Male zu sagen: Es ist mir scheissegal, ob jemand Clickert, Dildei'ert, Lind'nert oder sonstwas mit seinem Hund tut, um ihn auszubilden, solange die rein-sportliche Ausbildung überwiegend auf aversive Reize verzichtet und nicht grundlegend bezüglich der Informationsweitergabe auf aversiven Reizen basiert. Es ist mir auch scheissegal, ob Lind oder Dildei stachelrucken, sie verkaufen zumindest, daß es auch ohne geht. Wenn sie es trotzdem selber tun, ist das nur wieder Indiz dafür, daß diese ganze positive Motivation eben keine bzw. nur unzureichende Information vermittelt. Gebrauche und etabliere ich im Rahmen des Miteinander-Lebens und beim Befolgen von Regeln erfolgreich Strafen und entsprechende Signale dafür, kann dieses im Sport die körperliche Einwirkung auf Null reduzieren. Schau Dir doch an, wie fest etabliert Vorurteile über das hundliche Lernen sind. Schau Dir Martin's letzte Anwort an, lies Rüdigers, Lady's oder folgenden Absatz aus einer EMail: Darum geht's - um nix anderes. Die sind sowas von vollgepropft mit betonierten Vorurteilen, und leider eben auch noch durch vermeintliche Erfolge 'bestätigt' oder 'bewiesen'. Ich schreibe das extra in Anführungszeichen, weil die Erfolge immer nur eine subjektive Empfindung sind, ein persönliches Wertbemessen, zugrundeliegend einem Wunschdenken. Sie sind niemals daran bemessen, was an Potential im Hund möglich ist. Helmut, Du hast sinngemäß vor einigen Wochen gesagt, im Vergleich zum Mondioring ist SchH pipifax, ein mittelmäßig veranlagter Hund hat das locker mit 1 Jahr bis zur SchH3 drin, bei guter Ausbildung. Ich stimme Dir in vollem Umfag zu. Du hast gesagt, beim SchH wird dem Hund jede Selbst- ständigkeit aberzogen, er muß nur perfekt fehlerfrei funktionierten. Ich stimme Dir in vollem Umfang zu. SchH-Sport ist schon lange kein Leistungssport mehr, SchH-Hunde sind einfach nur noch wie Dressurpferde, perfekt auswendig- gelernte Bewegungsabläufe, bei jeder Abweichung knallt's. Wie sollte man also eine so subjektive Bewertung von Ausbildern oder Sportlern gelten lassen, die nie etwas anderes ausser SchH gemacht haben? Um zum Schluß zu kommen: Also, wenn positive Motivation *allein* nicht lehrt, kann in Konsequenz eben nur der aversive Reiz lehren. Die positive Motivation relativiert eben nur den aversiven Reiz, macht die Lehr-, Lern-, und Übungssituation für den Hund erträglich. Ich schreibe zwar 'starke', 'Schmerz', 'Gewalt', 'Angst', etc., ist aber nur Dramaturgie und allgemeiner verständlicher Sprachgebrauch. Letztendlich *meine* ich 'Hundeausbildung allein über aversive Reize'. Du kannst mir nun natürlich Schwarz-Weiss-Denken vorwerfen. Ich denke, da komme ich locker mit klar, da kann ich gut mit leben. vg Thomas
Thema: Unterschiedliche Methoden für unterschiedliche Hundecharaktere?


 
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