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28.09.99 --
Yvonne Heichel
Populationsgenetik
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Hi NG,
treibt sich hier noch der ein oder andere Hundler rum, welcher sich
etwas eingehender mit Populationsgenetik befasst hat?
Ich würde gerne einen umfangreichen Thread bezüglich 'Inzestzucht mit
selektiver Kontrolle' lostreten - und zwar basierend auf E. Trumlers
Äußerungen in seinem Buch 'Hunde ernst genommen'.
Für alle, die nicht mit diesem Buch vertraut sind, hier eine kurze
Erläuterung:
E. Trumler hörte bereits 1973, anläßlich des Kynologischen
Weltkongresses, einen hochinteressanten Vortrag von G. W. Rieck (Prof.
am Institut für Erbpathologie und Zuchthygiene an der Uni Gießen),
über praktikable Möglichkeiten zur Erbfehlerbekämpfung beim Hund.
Eine seiner Forderungen lautete damals, gute Jungrüden mittels
Inzestpaarungen auf pathologische Erbanlagen zu prüfen, da bei
Populationen mit stark verbreiteten Erbkrankheiten eine scharfe
Selektion zur gefährlichen Verminderung der Zuchtbasis führen würde.
Zu diesem Punkt führt Trumler desweiteren ein äußerst interessantes
Beispiel an - die Beagle-Zucht der Firma Hoechst.
Dort wurden, mit einer Zuchtbasis von 4 Hunden - drei Hündinnen und
einem Rüden (wobei eine Hündin die Schwester des Rüden war), insgesamt
über 4.000 Hunde gezüchtet ohne auch nur ein einziges Mal fremdes Blut
zuzuführen.
Hierbei handelt es sich um Inzest-Zucht in Reinkultur.
Das Interessante an der Sache ist Folgendes:
Von diesen über 4.000 Beagles hatten nur 21 Tiere eine Erbkrankheit
aufzuweisen - als jedoch die betreffende Linie aus der Zucht genommen
wurde, wiederholte sich die Problematik nicht nochmals - die Hunde
blieben trotz extremster Inzest-Zucht völlig gesund.
Trumler griff auch in seiner eigenen Forschungstätigkeit eben diesen
Gedanken auf und hatte (trotz Inzest- und Inzucht) nur gesunde Hunde
aufzuweisen.
In seinem o. g. Buch schreibt er auf Seite 253:
'Die Inzestzucht erzeugt keine Erbschäden, sondern bringt die
vorhandenen Erbschäden zum Vorschein!', und fordert
Test-Geschwister-Verpaarungen nicht nur bei Populationen mit stark
verbreiteten Erbkrankheiten, sondern grundsätzlich und prophylaktisch
für alle Rassehunde.
Die Nachkommen aus diesen Verpaarungen sollten, wenn sie nicht schon
von vornherein Mängel zeigen, ein Jahr lang, unter genauester
Beobachtung aufgezogen werden und danach einer biologisch fundierten,
gesundheitlichen und verhaltensmäßigen Prüfung unterzogen werden.
Bestehen sie diese, sollten ihre Eltern und Großeltern ein besonderes
Prädikat erhalten, da sie offensichtlich über ausreichend wertvolle
Erbanlagen verfügen.
So, hier trenne ich mich mal vom fast wörtlichen Zitieren aus Trumlers
Schriften und komme zur Kernfrage meines Postings:
Haltet Ihr, ausgehend von momentanen Stand der Dinge, ein
dementsprechendes Vorgehen noch für sinnvoll und durchführbar, oder
hat die Rassehundezucht schon derart ihren Zenit überschritten, daß
selbst solche Maßnahmen den Bestand eigentlich mehr gefährden als
fördern?
Daß die eventuell durchführenden Züchter weder Zeit noch Kosten
scheuen dürfen, um diese Dinge durchzuziehen ist mir klar - auch
möchte ich durch diese Fragestellung keinerlei ethisch-moralische
Wertungen des Vorgehens auf den Plan rufen - mich interessiert einzig
und allein Eure (wenn's geht fachlich fundierte) Meinung zu diesem
Thema.
Auslösende Faktoren hierzu waren bei mir der Wunsch, irgendwann einmal
einen Wurf gesunder Deerhounds zu haben, und die Tatsache, daß bereits
die Mutter meiner älteren Deerhoundhündin 'Avalon' an einer vermutlich
genetisch bedingten Erkrankung verstarb und nun (in exakt dem gleichen
Alter) auch noch die Wurfschwester.
Bitte keine Bedenken, denn züchten kann ich mit Avalon sowieso nicht,
da sie aufgrund einer schweren Pyometra im zarten Alter von 1,5 Jahren
kastriert werden mußte - in diesem Fall scheint die Natur von vorne
herein schon einen Riegel vorgeschoben zu haben.
Würde mich freuen, wenn Ihr Euch ein paar Gedanken zu diesem Thema
machen würdet.
Grüße
Yvonne
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