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Plädoyer für den Hund
Meine Herren Geschworene:
Der beste Freund eines Menschen auf dieser Welt ist imstande, sich gegen ihn zu wenden und sein Feind zu werden. Sohn und Tochter, die er mit Liebe und Sorgfalt
großgezogen hat, erweisen sich nicht selten als undankbar.
Menschen, die uns lieb und teuer sind, für die wir uns mit unserem Glück und unserem guten Namen verbürgen, sind fähig, uns zu verraten. Das Vermögen, das ein Mensch erworben hat, kann er verlieren. Es zerrinnt möglicherweise just dann, wenn er es am meisten braucht. Der gute Ruf eines Mannes geht bisweilen in einem einzigen Augenblick schlecht erwogenen Handelns verloren. Menschen, die dazu neigen, einen Kniefall zu tun und uns ihre Reverenz zu erweisen, solange wir Erfolg haben, werfen vielleicht den ersten Stein der Boshaftigkeit, sobald sich der Misserfolg wie eine dunkle Wolke über unserem Haupt zusammenbraut. Der einzige
vollkommen selbstlose Freund, den ein Mensch in dieser selbstsüchtigen Welt besitzt, der ihn nie im Stich lässt und der sich nie als undankbar oder treulos erweist, ist sein Hund.
Der Hund steht zu ihm, in guten wie in schlechten Zeiten, in Gesundheit und Krankheit. Er schläft im eisigen Winter bei Sturm und Schnee auf dem kalten Fußboden, nur um seinem Herrn nahe zu sein. Er küsst die Hand, die ihn füttert, auch wenn sie keine Nahrung bereithält, er leckt die Wunden und Blessuren, die aus der Begegnung mit der Widerborstigkeit der Welt herrühren. Er bewacht den Schlaf eines Bettlers, als wäre dieser ein Edelmann.
Wenn alle anderen Freunde uns verlassen, harrt er an unserer Seite aus. Auch wenn Reichtum und guter Ruf schwinden, er ist beständig in seiner Liebe wie die Sonne
auf ihrer Reise am Firmament. Wenn das Schicksal seinen Herrn zu einem Ausgestoßenen in dieser Welt macht, ohne Freunde und Obdach, erbittet der treue Hund keine größere Gunst, als ihn begleiten zu dürfen, um ihn vor Gefahren zu schützen und seinen Feinden mutig entgegenzutreten. Und wenn der letzte Vorhang fällt und der Tod seinen Herrn umarmt, wenn sein Leib in der kalten Erde bestattet wird, dann wird man den edlen Hund, ungeachtet dessen, ob alle anderen Freunde ihrer Wege gegangen sind, an seinem Grab finden, den Kopf zwischen den Pfoten, mit traurigen, aber wachsam geöffneten Augen, treu und wahrhaftig über den Tod hinaus.
US-Senator George Graham Vest (1830-1904)
Plädoyer für den Hund (Eulogy on the Dog) vor dem Johnson
Country Circuit Court, Warrensburg, Missouri.
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