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Pressemeldung des Bundesrates vom 1. Dezember 2000
Der Bundesrat hat heute der Tierschutz-Hundeverordnung mit der Maßgabe zugestimmt, dass von der Bundesregierung noch einige Änderungen eingearbeitet werden.
Zum Beispiel muss nach Ansicht des Bundesrates bei der gewerbsmäßigen Zucht von Hunden generell eine sachkundige Betreuungsperson, die ihre Kenntnisse und Fähigkeiten gegenüber der zuständigen Behörde nachgewiesen hat, zur Verfügung stehen und nicht erst bei einer Zahl von mehr als zehn Zuchthunden, wie es die Verordnung bislang vorsieht. Außerdem hält der Bundesrat ein generelles Haltungsverbot für Hunde, bei denen nach In-Kraft-Treten der Verordnung Amputationen zum Erreichen bestimmter Rassemerkmale vorgenommen werden, für mit den Grundsätzen des Tierschutzgesetzes nicht vereinbar. Denn als Konsequenz müssten die Tiere getötet werden, obwohl ein schmerz- und leidensfreies Weiterleben des Hundes möglich sei. Gegen ein Ausstellungsverbot solcher Hunde hat der Bundesrat dagegen nichts einzuwenden.
Außerdem spricht sich der Bundesrat für eine Ausdehnung des Zuchtverbots für aggressionsgesteigerte Hunde auch auf den "Bullterrier" aus. Die Verordnung nennt hier lediglich den Pitbull-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und American Staffordshire-Terrier sowie Kreuzungen dieser Rassen. Im Gegensatz zur Verordnung darf es nach Auffassung des Bundesrates keine Ausnahmen von diesem Zuchtverbot geben. Anderenfalls entstünde ein Wertungswiderspruch zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Bekämpfung gefährlicher Hunde, zu dem der Bundesrat am 20. Oktober 2000 Stellung genommen hat, wonach die genannten Rassen ausnahmslos einem Einfuhrverbot unterworfen werden. Es sei nicht einzusehen, warum für diese Hunderassen bei der Anwendung der einen Regelung die vermutete Gefährlichkeit durch das Bestehen eines Wesenstests widerlegt werden kann, bei der anderen Vorschrift dagegen nicht.
Darüber hinaus bittet der Bundesrat die Bundesregierung, nach Einholung eines Gutachtens zur Hundeausbildung, das auch die Anwendung von Elektroreizgeräten beinhaltet, die Tierschutz-Hundeverordnung entsprechend zu ergänzen, erblich bedingte körperliche Defekte und Krankheiten in der Verordnung zu konkretisieren und dabei bestimmte Zuchtformen und Rassemerkmale zu verbieten oder zu beschränken. Schließlich fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, Regelungen für eine unverwechselbare, fälschungssichere Kennzeichnung von Hunden zu erlassen. Dies könne den Vollzug tierschutzrechtlicher Regelungen erleichtern und gleichzeitig dazu beitragen, Tierhalter aufgefundener Hunde schneller ausfindig zu machen.
Tierschutz-Hundeverordnung
Drucksache 580/00 (Beschluss)
Innenminister wollen einheitliche Regelungen für Kampfhunde
Bonn (dpa) - Die Regelungen für Kampfhunde sollen in zentralen Punkten über die Bundesländergrenzen hinweg vereinheitlicht werden. Das haben die Landesinnenminister bei ihrer Herbsttagung in Bonn beschlossen. Unter anderem soll eine bundesweit einheitliche Rasseliste für Kampfhunde aufgestellt werden. Die Zahl der als gefährlich eingestuften Rassen schwankt unter den Bundesländern zwischen elf und 40. Die Beschlüsse der heute zu Ende gehenden Tagung sollen am Nachmittag bekannt gegeben werden.
Zeitungsbericht bestätigt
Innenminister wollen einheitliche
Regelungen für Kampfhunde
Bonn/Köln (dpa). Die unterschiedlichen Regelungen im Umgang mit Kampfhunden in Deutschland sollen "in zentralen Punkten" vereinheitlicht werden. Darauf einigten sich die Innenminister von Bund und Ländern auf ihrer Tagung in Bonn. So sollen eine einheitliche Rasseliste für gefährliche Hunde erstellt und auch die bestehende Verordnungen harmonisiert werden, sagte ein Sprecher der Innenministerkonferenz am Freitag.
Er bestätigte damit einen Bericht des Kölner "Express". Die Zeitung hatte berichtet, dass sich die Innenministerkonferenz am Donnerstag darauf verständigt habe. Die Beschlüsse der am Freitag zu Ende gehenden zweitägigen Beratung sollten am Nachmittag bekannt gegeben werden.
Der Sprecher erklärte, die Innenminister beabsichtigten, eine Arbeitsgruppe mit der Überprüfung der bestehenden Rasselisten zu beauftragen. Die Experten, darunter Veterinäre und Vertreter der Innenministerien und Senatsverwaltungen, sollten nach der Sichtung so schnell wie möglich eine einheitliche Liste erstellen. Die angestrebte Harmonisierung der Verordnungen sei auch wichtig, um bei Reisen über die Grenzen der Bundesländer hinweg, Probleme zu vermeiden.
Nach Angaben der Zeitung wird erwartet, dass die nordrhein- westfälische Landesregierung ihre Listen erheblich zusammenstreichen muss. Nordrhein-Westfalen hatte unter Federführung von Umweltministerin Bärbel Höhn (Grüne) mehr als 40 Rassen als gefährlich eingestuft. Andere Länder kommen dem Bericht zufolge auf durchschnittlich elf bis 13 gefährliche Rassen.
Kuddelmuddel im Hundekampf
Neuer Ärger für Kampfhund-Besitzer: Die Bundesregierung will ihnen Kontrolleure ins Haus schicken. Doch Vierbeiner-Lobbyisten machen mobil gegen das Chaos der Hunde-Verordnungen. In einigen Ländern haben sie bereits Erfolge vor Gerichten
erstritten.
Läppische 414 Mark an Mieteinnahmen bringt das Objekt 17 den Hauseigentümern, dazu ständig Beschwerden der Nachbarn über Krach: So war das Mietverhältnis für die
Gemeinnützige Wohnstättengenossenschaft Dortmund-Südauch ohne Kampfhund schon auf den Hund gekommen. Nur hatte niemand einen Dreh gefunden, wie man die
missliebige Mieterin loswerden könne.
Jetzt liefert der verbreitete Hass auf die Bestie Kampfhund der Wohnungsfirma endlich ein Argument, die Bewohnerin an die kurze Leine zu nehmen: Nicht nur in Wohnsilos, auch in dem Reihenhaus sei die Haltung eines American Staffordshire Grund genug für eine fristlose Kündigung, meinen die Wohnstätten-Chefs.
Ihre Meinung wollen sie kommende Woche vor dem Amtsgericht Dortmund durchsetzen - und damit das deutsche Kampfhunde-Chaos um eine Facette bereichern. Dass nämlich derselbe Vermieter in anderen Häusern Dobermänner und
American-Staffordshire-Mischlinge duldet, passt zum llgemeinen Kuddelmuddel im bundesdeutschen Hundekampf.
Der Dortmunder Rüde Cisco ist nur einer von vielen Hunden, die gegenwärtig die deutsche Justizbeschäftigen. Überall müssen Richter entscheiden, ob bestimmte Rassen diskriminiert werden, ob ein Bullterrier-Dackel-Bastard ein Kampfhund ist, ob
Maulkörbe und Hundeleinen wider die Natur sind oder ob die neuen Hundehalter-Verordnungen gar gegen Verfassungsrechte verstoßen.
Ende Juni glaubten Politiker, Stärke demonstrieren zumüssen, nachdem in Hamburg-Wilhelmsburg der sechsjährige Junge Volkan von zwei Kampfhunden totgebissen worden war. Die Länder erließen eilends Vorschriften, von denen sie spätestens wenige Wochen nach Verabschiedung selbst schon wussten, dass sie in vielen Punkten nicht praktikabel und erst recht nicht gerichtsfest sind (SPIEGEL 32/2000).
Jetzt kassieren Gerichte landauf, landab Teile der Verordnungen, und eilig versuchen die Behörden nachzubessern. Die Bundesregierung brachte am Mittwoch
einen Gesetzentwurf in den Bundestag ein, durch den nicht nur der Import bestimmter Rassen verboten werden kann. Kanzler Gerhard Schröder will sogar das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Wohnung einschränken: Kontrolleure vom Amt sollen bei
verdächtigen Hundehaltern vorbeischauen dürfen.
Die Konferenz der Innenminister beauftragte derweil ihre Fachleute erneut, das Kampfhunde-Chaos zu ordnen. Die Experten des Arbeitskreises I (Staatsrecht und
Verwaltung) trafen sich vergangene Woche in Berlin und stritten mit Schwung. Nordrhein-Westfalen verlangte eine Haftpflichtversicherung für alle Hunde -
abgelehnt. Okay, sagten die Beamten von NRW-Innenminister Fritz Behrens, dann wenigstens für die ganz gefährlichen Beißer. Da könne man sich einigen, meinte die Runde. Nur: Welche Rassen zählen zu den ganz gefährlichen? Heikles Thema +#8211;Entscheidung vertagt.
In einem Kompromisspapier empfehlen die Fachleute denMinistern, was ihnen selbst so schwer fällt +#8211; die Regelungen "in zentralen Punkten anzugleichen", um "möglichsteinheitliche Schutz- und Sicherungsmaßnahmen" zu erreichen. So sollte in ganz Deutschland eine Anleinpflicht in Fußgängerzonen gelten, Verstöße gegen "Ge- und Verbote sollten bundesweit mit empfindlichen Geldbußen geahndet
werden" (Höchstgrenze: nicht unter 10 000 Mark), und gefährliche Hunde sollten mit einer "unveränderlichen Kennzeichnung" identifizierbar sein.
Der jetzige Zustand ist auf jeden Fall unhaltbar: Denn eine Reise durch Deutschland ist für einen gesetzestreuen Hundehalter eine komplizierte Sache geworden (siehe Grafik). Wer mit einem Rottweiler in Schleswig-Holstein losfährt, darf nicht vergessen, seinen Liebling in Niedersachsen an die Leine zu nehmen. In Brandenburg könnten Ordnungshüter fragen, wo denn der notwendige Mikrochip implantiert sei, nordrhein-westfälische Polizisten könnten bald den Nachweis der Sachkundeprüfung verlangen. "Was wir hier erleben", sagt ein Beamter des baden-württembergischen
Innenministeriums, "ist der Auswuchs des Föderalismus, der Kokolores ist".
Ob sie sich nun in der "Aktion gegen Hundehass", in der "Interessengemeinschaft für bedrohte Hunderassen" oder der IG "MenscHund" organisiert haben +#8211; überall betreiben Hundefreunde Lobbyarbeit gegen den Paragrafen-Quatsch: Sie bearbeiten Öffentlichkeit und Politiker, überziehen die Gerichte mit Klagen.
Für die "Interessengemeinschaft verantwortungsbewusster Hundehalter" hat der Hamburger Rechtsanwalt Ulrich Wollenteit ein 36-seitiges Gutachten mit dem Ergebnis erstellt, dass die Hamburger Verordnung in vielen Teilen rechtswidrig
sei. Besonders die "Rasselisten" würden einer "fachwissenschaftlichen Überprüfung" nicht standhalten
- eine Einschätzung, der sich in der Zwischenzeit andere Juristen angeschlossen haben. Im Auftrag von sieben Kampfhund-Besitzern hat Wollenteit die Stadt Hamburg nun verklagt.
Die Fachleute in den Innenministerien wissen es längst: Das Ende der Rasseneinteilung ist programmiert. So gilt der Staffordshire Bullterrier etwa in Berlin und Sachsen-Anhalt als gefährlich. In Wahrheit, behauptet Claudia Hämmerling, Hunde-Fachfrau der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, sehe der in England auch "Babysitter dog" genannte Rassehund so ungefährlich aus, wie er sei - "wie ein dicker,
aufgeplusterter Dackel" eben. Und es gebe kein Gutachten, das diese Spezies als gemeingefährlich brandmarken würde. "Durch Klageandrohungen", berichtet
die Dortmunder Rechtsanwältin Nadja Warmer, habe man bereits erreichen können, dass der vergleichsweise harmlose Rhodesian Ridgeback nicht auf den Kampfhunde-Listen einiger NRW-Städte auftauche.
Gute Chancen dürfte auch Silke Kubitza mit einer Klage gegen die Stadt Oberhausen haben. Laut Verordnung der Kommune bedarf das Halten ihres zwölf Monate alten
Cara, eines Beauceron, einer "ordnungsbehördlichen Erlaubnis". Dies verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, glaubt Kubitzas Essener Anwalt Florian Gießler. Es zeuge von "völliger Unkenntnis", gerade diese ruhigen französischen Schäferhunde in die Verordnung aufzunehmen.
Beschlüsse von Verwaltungsgerichten in Hessen, Brandenburg und Bremen, die einige Punkte der Vorschriften auf Eis legten, haben die Klagefreudigkeit von Frauchen und Herrchen weiter befeuert. Das Oberverwaltungsgericht in Potsdam setzte etwa die Maßgabe des Innenministers außer Kraft, die das Halten gefährlicher Hunde mit der Auflage verbunden hatte, diese "kastrieren oder sterilisieren
zu lassen".
Auch andere Details erregen Hundebesitzer. So verlangt Hessen für bestimmte Rassen einen Wesenstest. Den sollen Gutachter des Verbandes für das Deutsche
Hundewesen (VDH) abnehmen - denen Kritiker Unkenntnis vorwerfen. So dürften zwar Arbeiter, die im Nebenamt VDH-Prüfer seien, den Test abnehmen, moniert der
Büdinger Rechtsbeistand Hans-Jürgen Habermann +#8211; nicht aber fachkundige Tierärzte.
Dass Deutschlands Gehsteige allein durch die Verordnungen sicherer geworden sind, das glaubt ohnedies kaum jemand. Ausgesetzte Hunde halten die Zahlen in der Beißstatistik weiter hoch, und: "Wer aggressive Viecher will", sagt die Grünen-Politikerin
Hämmerling, "der lässt sich andere Rassen züchten -ein Dorado für illegale Hundevermerhrer."
Bestätigt wird sie von einem Vorfall in Bayern +#8211; dem Land des Hardliners Günther Beckstein (CSU), das bisher als nahezu kampfhundefrei galt. Ende Oktober
stürmten 50 Polizisten einen Hunde-Trainingsplatz in München. Die Beamten beschuldigen die Halter, die Kampfhunde durch Schläge auf Kopf oder Genitalien
gezielt "mannscharf gemacht" zu haben. UDO LUDWIG
© DER SPIEGEL 46/2000
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