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30.11.00 -- Volker B.

RE: Angst vor Angriffen














Hallo Andi!

Deine Frage berührt eines meiner Hauptthemen, bei dem ich ausnahmsweise nicht nach Möglichkeiten suche etwas an meinem Hund und/oder meinem Verhalten zu ändern.

Ich kenne die Situationen, von denen Du geschrieben hast sehr genau. Allerdings sind bei mir und meinem Briard-Rüden Timo die Voraussetzungen andere. Timo ist 2 jahre, 9 Monate alt und strotzt vor Energie. Er versucht zu jeder Zeit mit jedem Hund ein Spielchen zu beginnen, und wenn man sich darüber nicht schnell einigen kann wird eben auch gerne mal gerauft - das allerdings nur mit Rüden. Hündinnen, die nicht zum Mitmachen bereit sind läßt er dann doch nach einigen Versuchen, sie zu provozieren, in Ruhe. Da Timo ein 35-kg-Brocken ist und sich alles andere als zuverlässig nach meinen Kommandos richtet wird er von mir auf unseren Runden an der Flexleine geführt (Hauptgrund für die Leine ist allerdings nicht sein Verhalten gegenüber anderen Hunden sondern sein Jagdtrieb).

Gerade gestern abend erst hatten wir wieder den Fall, daß wir bei bereits vollständiger Dunkelheit durch den Ort zogen - ich auf dem Rad. Timo lief in der Nähe der Einmündung zur vielbefahrenen Hauptstraße auf dem Seitenstreifen nahe an den Gartenzäunen. Hinter einem der Zäune »wartete« ein großer schwarzer Mischling, der sofort, als Timo auf seiner Höhe war, ein mächtiges Gebell anstimmte. Timo lief mit mir weiter, worauf hin der Hund über das Jägerzäunchen sprang und hinter uns herstürzte. Er kam immmer knurrend und mit mächtig Schwung näher, bis Timo stehenblieb und sich umdrehte. Dann stoppte der andere Hund und wartete ohne jede Regung ab. Wenn ich Timo zum Weitergehen locken konnte starte der »Angreifer« sofort wieder den nächsten Versuch. Inzwischen hatte jemand aus dem Haus, zu dem der Hund gehörte gemerkt, daß der eigene Hund nicht mehr dort war, wo man ihn peparkt zu haben glaubte und rannte in Puschen, den Hund rufend hinter uns her. Es kam zu keinem Kampf, keiner Konfrontation, weil der andere Hund schlau genug war zu erkennen, daß es mit Timo kein leichtes Trainig geworden wäre und der Ausgang der Auseinandersetzung aus seiner Sicht ungewiss war. Durch dieses geschickte Drohen und Scheinangreifen wurde die Situation dann am Rande der Haupverkehrsstraße aber doch ausreichend kompliziert, da beide Hunde auf einander fixiert waren und jeden Moment damit gerechnet werden mußte, daß sie für ihr »Spielchen« auf die Straße ausweichen.

Ich schildere diese Begebenheit so ausführlich um zu zeigen, daß es nicht in jedem Fall zu einer Entspannung der Lage führt, wenn man weitergeht und der eigen Hund dann sogar folgt.

Wenn es bereits zum Kampf gekommen ist stimme ich den anderen Beiträgen allerdings ohne Vorbehalte zu: dann hilft zur Deeskalation und schnellen Beendigung dieser Einlage nur das Entfernen vom Ort des Geschehens - natürlich von beiden Hundehaltern. Ich halte es aber auch auf Deinen Fall bezogen nicht unbedingt für gut, sich in Situationen wie denen, die Du beschrieben hast, immer defensiv zu verhalten. Die eine Sache, die Deine Angst etwas dämpfen könnte, ist die Beobachtung erfahrener Hundeführer (aus dem Verein, in dem ich zur Zeit trainiere), nach der nicht der körperlich stärkere Hund einen solche Machtfrage für sich entscheidet, sondern der durchsetzungsfähigere, entschlosserene Hund. Da spielen Körpergröße und Gewicht eine untergeordnete Rolle. Immer vorausgesetzt bei dieser Betrachtung wird von mir, daß es sich bei den Hunden, die an irgendwelchen Zusammentreffen beteiligt sind, um nicht verhaltensgestörte Tiere, die sich artgerecht benehmen, handelt.

Dein Hund ist nach Deiner Aussage besonders ängstlich, da er schon schlechte Erfahrungen gemacht hat. Er haut daher einfach immer ab, wenn ihn ein anderer Hund angeht. Wenn das so ohne Einschränkungen stimmt hast Du leider einen partiell verhaltensgestörten Hund, denn das ist nicht das natürliche Verhalten. Wenn Du Dir und Deinem Hund unter dieser Voraussetzung jeglichen Stress ersparen willst sehe ich keine andere Möglichkeit als die, daß Du allen Gefahrenquellen im weiten Bogen ausweichst. Wozu ich eher raten würde wäre Deinen Hund wieder an Begegnungen mit anderen tempramentvollen Hunden zu gewöhnen. Das ist allerdings anstrengend, geht sicher nicht ohne die eine oder andere Schramme ab, und sollte in gewisser Weise geplant werden, indem Du Dir bestimmte Hunde ausguckst, mit den Haltern sprichst und zufällige Zusammentreffen mit deren Hunden inzenierst. Bei diesen Zusammentreffen (natürlich auch bei allen echt zufälligen) ist Deine Aufgabe als Leittier ruhig und souverän zu wirken. Das ist sicher auch anstrengend - darf aber nicht so wirken! Ein Scheiß-Paradox, aber so sehe ich das.

Für den Umgang mit den unangenehmsten Zwischenfällen, wenn Hunde von uneinsichtigen Haltern, die zudem keine Kontrolle über ihre Schützlinge haben und sich unangepaßt verhalten, echte Gefahrensituationen heraufbeschwören würde ich zu einem ganz anderen Verhalten raten: laß´ Deinen Hund los (wenn das zu gefährlich ist binde ihn mit möglichst langer Leine an) und beweg Dich laut schreiend und schimpfend auf den anderen Hundehalter zu. Dieses Verhalten wird Dir zwar Mißachtung bei einigen Menschen, die die Szene beobachten, einbringen, wird den Hund des fremden Halters aber auf jeden Fall aufmerksam machen. Abgesehen davon, daß es vielleicht sogar wirklich angebracht ist so einen unverantwortlichen Hundehalter in der Form zurecht zu weisen, wird sein Hund mit größter Sicherheit mehr auf diese Konfrontation achten als auf Deinen zurückhaltenden, vielleicht sogar fluchtbereiten Hund.

Natürlich entsteht aus diesem Vorschlag gleich ein neues Risiko: was ist, wenn der fremde Hund noch nicht ganz, dafür aber sein Halter verhaltensgestört ist und auf Deinen »Angriff« überzogen reagiert und eventuell handgreiflich wird. Das kannst Du nach meinem Dafürhalten nun spontan versuchen einzuschätzen und entsprechend vorgehen.

Es werden wohl Konflikte übrig bleiben, bei denen Du mit Deinem Abschneiden nicht zufrieden sein wirst und hinterher wütend bist. Aber einige andere wirst Du vielleicht mit einem nachträglich guten Gefühl bewältigen können.

Viel Erfolg!


Gruß, Volker B.
Thema: Angst vor Angriffen


 
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