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Es war Samstag und schönes Wetter und was dazukam war, daß in der überregionalen Zeitung eine Anzeige über die im Tierheim zu vermittelnden Hunde stand. Die Folge: Riesenansturm auf das Tierheim, der kaum zu bewältigen war. Der sonst allenfalls mal von ein bis zwei Personen besuchte Zwingertrakt war überfüllt mit Menschentrauben, alle potentielle Hundeinteressenten.
Wir Tierheimmitarbeiter haben darin allerdings schon ein bisschen Übung und so stellten wir uns einfach zu den Leuten, die an einem bestimmten Zwinger standen und versuchten ein Gespräch zu beginnen. Da waren Menschen,deren Hund vorgestern erst eingeschläfert werden musste, von tiefer Trauer immer noch erschüttert und trotzdem auf der Suche, um die entstandene Lücke zu füllen. Es gab Menschen, die anfingen zu weinen ob der schlimmen Verhältnisse, die manch ein Tier hinter sich hat und Menschen, die einfach nur schauen wollten. Aber auch das Gegenteil kam und gerade diese Menschen sind es, die uns die tierschützerische Arbeit so schwer machen. An einem eventuell hätte stattfindenden Beispiel soll dies genauer erläutert werden:
Eine Frau kommt zur Tür im Tierheim herein, steuert zielgerichtet auf eine Mitarbeiterin zu und meint fordernd: "Ich hätte gerne einen unkastrierten Rüden, zeigen Sie mir mal, was Sie da da haben." Die Tierheimmitarbeiterin erwidert darauf freundlich, daß es da einige gäbe, und ob sie denn genauere Vorstellungen hat, bzw. wie und wo das Tier denn untergebracht würde und welche Voraussetzungen ansonsten da wären. Ein "das geht Sie doch nichts an" kommt dabei selten, eher wird z.B. geantwortet, daß sie bis vor 10 Jahren einen unkastrierten Rüden hatte und der hatte es ganz gut bei ihr, also wird es der neue Rüde auch nicht schlecht haben. Die Kollegin will es dennoch genauer wissen, fragt, ob die Dame daheim wäre, ob oder wie lange der Hund allein bleiben müsste; wie die Frau wohnt ist wichtig, ob da ein Garten dabei ist, zur Miete oder Eigentum; und handelt es sich um ein krankes Tier, bei dem in Zukunft Tierarztkosten auf einen zukommen könnten, dann wird auch schon einmal nach der Einkommenslage gefragt. Das alles sind natürlich sehr persönliche Fragen, aber der Hund wird ja auch ein sehr wichtiger Teil der Privatsphäre werden. Leute, wie zuvor beschriebene Dame reagieren auf solche Fragen äußerst unwirsch, weichen ihnen aus, wollen einfach nur einen Hund haben. Dann sieht sie einen nicht allzu großen Collie-Rüden. "Den hätte ich gerne, machen Sie mir mal den Zwinger auf, damit ich näheren Kontakt zu ihm haben kann!" Die Mitarbeiterin antwortet weiterhin freundlich, daß dies nicht ginge,der Rüde sei nicht ganz einfach, es könnten nicht einfach so fremde Leute in den von ihm als sein Revier angesehenen Zwinger gehen. "Das müssen Sie schon mir überlassen, ich habe da Erfahrung drin", meint die Frau, immer unfreundlicher werdend. Die ehrenamtlich arbeitende Tierschützerin antwortet darauf, daß man den Hund ja auf ein außen gelegenes Grundstück bringen könnte, wo ein Kontakt hergestellt werden kann. Gesagt, getan, die Frau sieht sich den Hund an, streichelt kurz über sein Fell und meint dann nur: "Den will ich mitnehmen" (nach dem Motto "packen Sie ihn mir bitte ein ..."). Manch ein Tierheim mag solche Praktiken wohl unterstützen, nicht jedoch beschriebenes. Hier werden Hunde vermittelt, nicht verkauft oder auf Probe mitgegeben. Man muß als Interessent erst einmal eine Vorauskunft ausfüllen, in der man genauestens über sich Auskunft gibt. Dabei wird ein ausführliches Gespräch geführt, in dem der Hundeinteressent erst einmal erzählen soll, wie er oder sie sich das mit dem Hund vorstellen, wie die äußeren Umstände sind usw. Wurde festgestellt, daß der Hund zu den Menschen paßt, wird auch noch eine Vorkontrolle in dem potentiellen Zuhause gemacht. Dann erst wird der Hund von einem Tierheimmitarbeiter zu seinem neuen Besitzer gebracht und beobachtet, wie er sich die erste ½ Stunde im neuen Zuhause so macht und den Leuten noch ein paar Dinge über den Hund erklärt (Lieblingsfutter, Eßzeiten...). Die Dame, von der bisher erzählt wurde, steht dabei nur stellvertretend für einen ganzen Schlag an Menschen und reagiert äußerst ungehalten. Dies würden andere Tieheime aber so nicht praktizieren, das wäre ja schlimm, sie wolle sich beschweren und überhaupt, so habe sie noch niemand behandelt. Wo denn die Gründe für solch eine Fragerei seien und warum man den Hund nicht sofort bekomme. Die Tierheimmitarbeiterin ärgert sich zwar innerlich, bleibt aber trotzdem nett und freundlich, und beantwortet geduldig die Fragen. Man mache dies aus Tierschutzgründen, denn man wolle den Hund nicht eventuell gut vermitteln, sondern man will erreichen, daß die Hunde mit nahezu 100%iger Wahrscheinlichkeit ein Tierheim von Innen nur noch zu sehen bekommen, wenn sie zu Besuch kommen oder in Pflege gebracht werden. Man wolle es den Tieren auch nicht antun, daß sie sich innerhalb einiger Tage an den neuen Menschen gewöhnt haben und dieser dann feststellt, daß der Hund wohl doch nichts sei und ihn ins Tierheim zurückbringt. Der Erfolg einer Methode, bei der ein Hund nicht einfach mitgegeben wird spricht dabei für sich. Nur ganz wenige Hunde werden wieder zurückgebracht und dann auch nur, wenn die Leute trotz der Hilfe des dem Tierheim angeschlossenen Hundeausbilders nicht weitergekommen sind. Man mache dies natürlich auch, damit immer der passende Hund zum passenden Besitzer kommt. Eine Dogge großzuziehen bedarf z.B. mehr als nur Liebe. Da muß fundiertes Wissen über Aufzucht und Pflege großwüchsiger Hunde vorhanden sein, damit der Hund nicht chronisch erkrankt. Ein ungestümer Hund, der keine Kinder kennt, kann nicht zu einem einjährigen Kind kommen, wo tagsüber nur die Mutter zuhause ist und der Mann, der den Hund eigentlich will, nur Abends und am Wochenende anwesend ist. Und hundeunerfahrene Leute können nicht einen Hund nehmen, dessen Schutztrieb stark ausgeprägt ist und der sich bei fehlender oder falscher Erziehung in Agressionen umwandeln könnte. Oben beschriebene Frau reagiert, als ob sie gar nicht zugehört hätte, will oder kann nicht verstehen, meckert weiter herum, daß sie den Hund will und warum sie ihn nicht sofort bekäme. Man redet gegen Wände, aber unfreundlich will man auch nicht sein. Was also tun? Meistens gehen diese Menschen von selbst murrend und grummelnd, mit dem Vorsatz, die ganze Welt über die in diesem Tierheim herrschende Ungerechtigkeit aufzuklären. Als Tierschützer steht man dann da wie ein begossener Pudel und glaubt beinahe schon selbst an die diesem Menschen angetane Ungerechtigkeit.
Dann geht man zu dem Zwinger des Hundes, streichelt ihn und von hinten fragt jemand freundlich, was denn mit diesem Hund sei, er sähe ja beinahe aus wie der alte Hund, den man zuvor gehabt hat. Und wieder fängt die Fragerei an, das Erzählenlassen der potentiellen neuen Besitzer und dieser erzählt viel über den alten Hund, was er alles für ihn getan hat, wie er gelebt hat und wie ein neuer Hund bei ihnen Leben würde. Die Tierheimmitarbeiterin hat eigentlich noch gar nicht viel gesagt und weiß trotzdem schon, daß diese Menschen eventuell die richtigen wären.
Das gibt dann wieder Aufschwung. Und tatsächlich am Samstag Abend hat man für drei z.T. bis dahin schwer vermittelbare Hunde eventuell neue Besitzer gefunden. Sonntag früh werden die Vorkontrollen gefahren und danach der Hund hingebracht. Trotz der vielen Fragerei gibt es nämlich auch Tierfreunde, denen das nichts ausmacht und die bereitwillig Rede und Antwort stehen. Zum Glück, sonst würde man verzweifeln.
Aus diesem Grund sollte man als Tierheimbesucher nicht immer egoistisch denken, sondern auch an das Tier. Denn ein Hund ist nicht allein wegen seines Aussehens auszusuchen, sondern auch wegen seiner Eigenschaften und Charaktermerkmale, die zum dazugehörenden Menschen passen müssen. Und die kennen die Tierheimmitarbeiter nunmal am besten.
Charlotte Stanek (E-Mail: ba2094@fen.baynet.de), ehrenamtliche Mitarbeiterin in einem Tierheim in Nordbayern
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