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10.07.01 -- Ganda

RE: Sogenannter Listenhund hat wieder zugeschlagen: an Franziska














Hi Thorsten,

***was mich wundert ist, dass du die Beissunfälle so einfach damit abtust, dass sie aus jagdlich motiviertem Verhalten passiert sind. Woher weist du das?***

Gutachten von Frau Feddersen-Petersen beim Gerichtsverfahren gegen den Hamburger Hundehalter. Allgemeine Gutachten von Frau Feddersen-Petersen. Bücher von Bloch, Zimen, Trumler.

***Wenn jemand hinfällt und ein Hund beisst ihm ins Gesicht, dann ist das kein jagdlich motiviertes Verhalten.***

Doch. Das Hinfallen kann einen auslösenden Schlüsselreiz für jagdlich motiviertes Verhalten darstellen. Was meinst, warum so viele Kleinkinder von sich in der Nähe aufhaltenden Hunden angegriffen werden, kurz nachdem sie gestürzt sind? Lies dir mal die Zeitungsberichte durch. Da steht meist: Der Hund war vorher noch nie auffällig. Der Hund griff unvermittelt aus heiterem Himmel an.

***Nach deiner Theorie müssten die meisten Beissunfälle mit Jagdhunden passieren. Dem ist nicht so.***

Die meisten Unfälle dieser Art passieren eben nicht mit Jagdhunden. Und zwar aus folgendem Grund: Bei Jagdhunden sind verschiedene Ausprägungen des wölfischen Jagdverhaltens vorhanden. Bei anderen Rassen ist das wölfische Jagdverhalten nur noch in Sequenzen vorhanden, d.h. nicht mehr stark ausgeprägt. Demzufolge reagieren Jagdhunde mit jagdlichem Verhalten auf spezifische Reize (Beutetiere) während bei den anderen Rassen sehr unspezifische Reize genauso Auslöser für Jagdverhalten sein können (z.B. Hinfallen eines Menschen, Jogger, Radfahrer, schreiend davonlaufende Kinder ... wie bei dem Vorfall in Hamburg).

***Auch deine Vergleiche mit Dackeln und Border Collies hinken und dass Pit-Bulls schon ein recht hohes Aggressionspotential und eine niedrige Reizschwelle haben KÖNNEN, ist wohl auch bekannt.***

Pitbull haben dann eine niedrige Reizschwelle, wenn sie aus einer "Zucht" stammen, wo besonders aggressive Tiere mit Absicht und gezielt verpaart werden. Ich schätze mal, das sind unter 1% aller in Deutschland lebenden Pitbulls. Es gibt Untersuchungen von Frau Feddersen-Petersen und auch einige andere, bei der festgestellt wurde, das bei Hunden dieser Rassen (Pitbull, AmStaff, StaffBull, Bullterrier), die seit Generationen als Familienhunde gezüchtet werden, die Reizschwelle besonders hoch ist. Das Aggressionspotential ist in etwa so hoch, wie auch bei Dackeln und allen anderen Terrier-Rassen oder sogar niedriger. Warum hinkt mein Vergleich?

***Ich finde Rasselisten auch blödsinnig und diskriminierend. Trotzdem sollte man die Dinge etwas differenzierter betrachten. Der so oft zitierte Vergleich mit dem Dackel ist lächerlich. Besorg Dir mal eine vernünftige Beißstatistik, die auch den Bestand der jeweiligen Rasse mit einbezieht.***

Du wirst staunen. Ich habe mehrere Statistiken zusammengefasst und ausgewertet auch im Vergleich zur Population. Demnach liegt die Beißrate bei drei Gruppen von Hunden (grob gesagt Liste1-Hunde, Liste2-Hunde, Nicht-Listenhunde) etwa in derselben Höhe. Falls es dich interessiert: einzusehen auf meiner Homepage www.gandawuff.de unter "Statistik".

***Hast du schon mal darüber nachgedacht, warum es bei Beissunfällen mit sog. Pit-Bulls so häufig vorkommt, dass sich Hunde in den Kopf oder das Gesicht ihrer Opfer verbeissen?***

Kommt das so häufig vor? Häufiger als bei anderen Rassen??? Woher weißt du das?

***Könnte vielleicht auch etwas mit dem ursprünglichen Zuchtziel bei den sog. buldogs zu tun haben, sie haben früher in der Landwirtschaft so beim Transport von Bullen geholfen.***

Meinst du den Bullenbeißer? Tja, also wenn du schon von früheren Zwecken von Rassen redest: Dass die Bullenbeißer Bullen beißen, wurde vor ca. 150 Jahren verboten, ebenso wie Hundekämpfe allgemein. Es gab sie zwar noch weiterhin, aber nebenbei entstanden Zuchten, die diese Hunde, bzw. Abkömmlinge dieser (AmStaff, StaffBull, Bullterrier) auf Aussehen, später auf Familienhund züchteten. Aus diesen Linien stammen die heutigen Rassen.
Die Zucht des Deutschen Schäferhundes begann vor ca. hundert Jahren. Vor gut 50 Jahren war das Zuchtziel des Deutschen Schäferhundes Schärfe gegen Menschen. Im zweiten Weltkrieg wurden sie in Massen im Krieg gegen Menschen eingesetzt und zwar im Gegensatz zum Bullenbeißer, der bis vor 150 Jahren zwar gegen andere Tiere eingesetzt wurde, aber schon immer auf Freundlichkeit und Sozialverträglichkeit gegenüber Menschen selektiert wurde.

Um nochmal auf das Ins-Gesicht-Verbeißen zurückzukommen. Hast du schonmal ein Wolfsrudel ein größeres Beutetier jagen sehen? Mehrere Wölfe erwischen es irgendwo am Körper, zerren es, bis es hinfällt und ein Wolf beißt dann in die Nase des Beutetieres. Der Sinn liegt vermutlich darin, das Beutetier zu betäuben (du hast bestimmt schonmal die Erfahrung gemacht, wies ist, eins auf die Nase zu bekommen), damit es sich nicht mehr bewegt und die Verletzungsgefahr für die Wölfe gebannt ist. Das Bullenbeißen ist sicherlich aus dieser Sequenz des Jagdverhaltens hervorgegangen. Wenn ein Hund sich ins Gesicht von jemandem verbeißt, spricht das demnach FÜR JAGDLICHE MOTIVATION.

***Wie bereits erwähnt, ich bin nicht für irgendwelche Listen und auch nicht gegen irgendwelche Rassen, nur für eine etwas differenziertere Betrachtung des Themas.***

Darum bemühe ich mich. Falls du Zitate von mir möchtest: Ich kann dir gerne einige heraussuchen ... aber nur wenns unbedingt sein muss.

Bis dann

Franziska
Thema: Sogenannter Listenhund hat wieder zugeschlagen


 
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