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Einen habe ich noch:
Vor ein paar Jahren riefen mich Leute an, die meinten sie hätten auf unserem Dobermann-Platz gehört, dass ich auch mal Tiere vorrübergehend in Pflege nehme. Ich sagte, das stimmt, und wir verabredeten uns für den nächsten Abend.
Da kam nun ein junges Pärchen mit einem auf Brustwarzen schleichenden braunen Dobermann. Im Laufe des Gesprächs erfuhren wir, dass sie in einem Hochhaus, 14.Etage lebten und zu dem ca.6 Monate alten Dobi auch noch einen 18 Monate alten malamute-Rüden hielten. Beide ganztags berufstätig, Hunde allein in der Einzimmerwohnung. Da der Dobi nur Mist macht, wurde er an die Heizung gebunden, der andere durfte wenigstens frei herumlaufen, während die Herrschaften zur Arbeit waren. Man sagte mir der Dobi hieße Justin, ich meinte ungewöhnlicher Name für eine Hündin...Antwort: Wieso Hündin, wir haben einen Rüden aus dem Stall gekauft. Da war ich dann erstmal völlig ab vom Glauben. Naja, die Leute wollten ihn für eine Nacht untergebracht wissen, sie hätten irgendetwas vorgehabt. Weil das Würmchen mir furchtbar leid tat, habe ich eingewilligt. Die Leute gingen fort, ich in's Bett, der Hund hinterher und unter meine Decke. Egal, ist ja nur für eine Nacht, dachte ich. Am nächsten Tag stand der Hund bei mir in der Küche, ich habe mit einer schnellen Bewegung versucht einen Topfdeckel aufzufangen bevor er auf den Boden knallt. Der Hund sich hingeschmissen und jämmerlich geschrien, ich hatte ihn nicht mal angeguckt! Na prime dachte ich, und hab schon mal angefangen zu überlegen, wie man es anstellt, den Leuten diesen Hund nicht wiederzugeben. Später kam eine Nachbarin vorbei, ich schrie noch Tür zu, aber zu spät, der Hund war schon draußen und ist nur noch gerannt. Ich wie eine bekloppte in Latschen kreuz und quer über zugefrorene Felder hinterher und überlegt wie ich den Leuten klar mache, dass der Hund abgehauen ist. Nach fast 4 Stunden habe ich ihn in einem Pferdeunterstand tiefschlafend wieder eingesammelt. Abends kam keiner. Nachts kam keiner. Am nächsten morgen kam keiner, also habe ich bei den Leuten angerufen...kein Anschluss unter dieser Nummer. Prächtig. Da bin ich stinksauer gewesen, der Hund ist meiner Meinung nach sofort in mein Eigentum übergegangen und wurde von mir auf den Namen Joyce getauft. Sie hatte nach ein paar Wochen zusehends Vertauen zu uns bekommen, blieb aber nicht eine Sekunde allein. Hat das Schlafzimmer komplett inklusive Fensterjalousie in Schnipsel zerlegt. Das nächste Erlebnis hatte ich als ich den Hund im Auto kurz ausgestiegen bin, um jemanden den Weg zu erklären. 2 Minuten-Sache, ich dreh mich zu meinem Auto zurück, nur noch gelbe Flocken zu sehen. Das war dann also das Ende der gesamten Innenausstattung eines Saab 9000, mein Mann wollte mich erschlagen *gg*. Dann kam der nächste Hammer, Joyce bekam Parvovirose. Der TA sah sie und sagte, tut mir leid, das war's. Ich habe Tropf etc. mitgenommen, mit dem Hund 2 Wochen lang im Bett gelegen, sie Tag und Nacht im Arm gehalten und sie hat's geschafft!
Behalten konnten wir sie aber nicht, da wir beide berufstätig waren und die Kinder mit 3 Hunden, Hühnern, Truthähnen, Vögeln und diversem Nagegetier absolut überfordert waren. Wir haben dann nette Leute gefunden, die sich auf Anhieb in Joyce verliebt haben. Ich gab ihnen auf Grund meiner Erfahrung noch mit auf den Weg, diesen Hund unter keinen Umständen in den ersten Wochen von der Leine zu lassen... Ab einem Dienstag hörte ich so dann und wann mal im Radio: Achtung Autofahrer, freilaufender Hund...mal hier...mal dort... Am Samstag kam dann der Panikanruf der neuen Besitzer, ihr müsst herkommen, der Hund ist Dienstag abgehauen, und wurde jetzt von der Polizei da und da gesehen. Wir also mit fliegenden Fahnen dahingerast. Sie rannte auf einer Mauer an der Autobahn, Gewegplattebreite,
völlig gestört hin und zurück. Polizeihundestaffel war auch vor Ort, der eine Polizist schrie wie blöde irgendwelche Kommandos zu Joyce, in der Hoffnung, sie würde gehorchen. Ich bin hin zu dem Beamten, habe ihm erklärt, dass dieser Hund wahnsinnige Angst vor Menschen hat, und er mit seiner Brüllerei höchstens eine Kurzschlußreaktion des Tieres erreichen würde, und ich befürchtete, dass sie dort hinunter auf die Autobahn stürzen könnte. Der Mann erklärte mich zunächst für ahnungslos und bekloppt, ließ aber immerhin das Autobahnstück sperren, so dass Autos kein Problem mehr waren. Dann haben ich diesen Beamten dermaßen zusammengesch...(sorry, war doch selbst in Panki), er solle seine Polizisten samt Hunde dort verschwinden lassen, sonst kriegt man Joyce niemals. Es kam noch blablabla...das hat aber ein Nachspiel, dann sind sie abgezogen. Da stand ich nun einsam oben am Mauerrand und wußte auch nicht was zu tun wäre. Währnedessen rannte Joyce unermüdlich hin und her, sie hat gar nicht mehr wahrgenommen, was um sie herum geschah. Ich habe sie lieblich säuselnd gerufen. Nichts. Immer wieder freundlich gerufen, aber keine Reaktion, sie rannte einfach vorbei. Dann, als sie wieder mal auf mich zu raste, habe ich mordsmäßig wütend Joyce-hiiiiiier gebrüllt, und traute meinen Augen kaum: die Rute kam zum Vorschein, die Ohren kamen hoch, die Augen wurden wach...sie sah mich direkt an und sprang mir mit einem Satz mitten in's Gesicht. Da lagen wir nun beide im Matsch, sie hat mir wie irre mein Gesicht abgeschleckt und in den höchsten Tönen gewinselt. Ihre Pfoten waren vollkommen durchgelaufen und blutig, ich sah aus wie Sau und habe mit dem Hund um die Wette geheult wie ein Schloßhund. Der böse Polizist war auf einmal guter Polizist *gg* hat mir gratuliert. Die neue Besitzerin von Joyce fragte, ob ich den Hund wiedernehmen würde, sie ist ihm nicht gewachsen, sie übernimmt selbstverständlich die Kosten für den 5-tägigen Polizeieinsatz. So haben wir Joyce wieder mit genommen, und noch fast ein Jahr überwiegend Ärger mit ihr gehabt. Trotzdem war sie eigentlich ein unheimlich liebenswerter Hund, sie konnte wohl nicht anders, ich hatte immer den Eindruck, sie war irgendwie gefangen in ihrer kaputten Seele. Ich glaube, bis zu dem Tag, als Rattengift ihr Leben beendet hat, hat sie sich ganz wohl gefühlt bei uns. Sie liebte unsere Hühner über alles, war nur nicht gerade vorsichtig im Umgang mit ihnen, so dass wir sie neben den von ihr gekillten Hühnern beerdigt haben. Dieser Hund hat in gut 1,5 Lebensjahren viel mitmachen müssen, und war uns gegenüber doch immer ein fröhlicher Clown.
Claudia
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