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16.12.97 -- Reinhold_Wurster

Warum Apportieren ?














Markus hat über das Apportieren geschrieben:

"Das zeigt, daß dein Ayko im Grund auch keine Lust zu diesem Spiel hat, denn du bringst ihn nur über seinen leeren Magen dazu ein Spiel zu spielen, das DU (!) spielen möchtest. Die Motivation, die er dabei zeigt rührt lediglich von der zu erwartenden Belohnung her - ein voller Topf, den er nicht bekommt, wenn er dein Spiel nicht mitspielt."

Hallo Markus,

schön, dass wir uns angenähert haben und nicht mit Prügeln nach uns werfen.

Vielleicht sollten wir noch mehr gemeinsam nachdenken. Und wir sollten das hier in der Öffentlichkeit tun, damit vielleicht auch andere sich Gedanken machen, welche Ziele sie bei der Hundeerziehung verfolgen.

Hier sind meine Gedanken:

Ich habe vor, mit meinem Hund noch viele "Spiele zu spielen, die ICH mit meinem Hund spielen möchte" und von denen mein Hund anfänglich nicht begeistert sein wird. Und ich werde ihn weiterhin mit einem vollen Futtertopf dazu motivieren. Ich persönlich finde das gut und richtig. Und ich kann darin auch wenig Unnatürliches sehen. Die Aufzucht von Wolfswelpen erfolgt in der Natur nicht viel anders, höchstens grausamer.

Warum spiele ich mich zum Herren über meinen Hund auf ?

Weil mein Gehirn weiter entwickelt ist als das meines Junghundes, weil ich weiter voraus denken kann als er, weil ich auch vorausplanen kann, weil ich einige Jahrzehnte mehr Erfahrung habe als er, weil mein Hund in der Welt der Menschen lebt und nicht in einer Welt der Hunde. Weil mein Hund, wenn er erwachsen ist, mir körperlich überlegen sein wird und ich nicht seine Zähne fürchten will.

Ich lebe nicht in Sibirien oder Alaska, wo sich die Wölfe noch frei entwickeln können, sondern in einem der dichtest besiedelten Staaten Europas und ich habe keinen Wolf, sondern einen domestizierten Hund. Aber selbst das Verhalten freilebender Wölfe und Wildhunde wird in hohem Maße von den Aussicht auf einen vollen "Futternapf" bestimmt.

Als ich meinen Ayko mit drei Monaten beim Züchter abgeholt habe, habe ICH ihn nicht nur von seiner Mutter und von seinen Geschwistern weggenommen, sondern ICH habe ihm ohne ihn zu fragen einfach ein Halsband übergestreift und ihn an der Leine geführt. Dieses neue Spielchen war ihm absolut unangenehm und verdammt lästig.

Heute hat er sich ans Halsband längst gewöhnt und er freut sich sogar richtig, wenn ich ihm sein Halsband umlege, denn dann darf er mit mir Gassi gehen. Aus der unangenehmen Sache mit dem blöden Halsband, die ICH ihm einst aufgezwungen habe, ist etwas sehr Angenehmes für ihn geworden. Vorausplanung oder eine Selbstverständlichkeit ???

Draußen auf den Feldern mache ich die Hundeleine vom Halsband ab und mein Hund darf frei laufen. Das macht ein Setter nämlich für sein Leben gern. Aber er darf kein Wild jagen, er darf keine anderen Spaziergänger belästigen, keine Radfahrer hetzen und er darf nicht auf die Landstraße rennen. Unsere Gesetze, meine Tierliebe und meine Rücksichtnahme auf meine Mitmenschen verbieten ihm das, also habe ich ihm das Herkommen auf Pfiff beigebracht. Das war für ihn zunächst auch ein ungewohntes Spielchen, das ICH ihm "aufgezwungen" habe. Hinterlistig wie ich bin, habe ich dazu eine ganz lange Leine verwendet. Trotzdem hat mein Hund gelernt, freudig zu mir zu kommen, weil ich ihn immer gelobt und mit Leckerchen belohnt habe, an der Leine habe ich nur gezerrt, wenn der Hund nicht das tun wollte, was ich von ihm wollte, nämlich herkommen. Das werde ich auch weiterhin so machen bei der Hundeerziehung.

Aus dem unangenehmen Gehorchenmüssen ist ein freudiges Spiel geworden. Ayko kommt immer gerne zu mir her, setzt sich kerzengerade vor mich hin und schaut mir in die Augen um sich seine Belohnung abzuholen. Darüber freue ich mich, denn genau so will ICH meinen Hund erziehen. Er soll sich mir freudig und zuverlässig unterordnen. Denn nur der Hund, der unter allen Umständen zuverlässig den Kommandos seines Führers gehorcht, darf den Rest an Freiheit, den in unserem Lande Hunde genießen, voll ausschöpfen. So steht es sinngemäß im Gesetz. Nicht ohne Grund, wie ich meine. Ein Hund, der nicht zuverlässig gehorcht, muss draußen, wo Wild zu erwarten ist an der Leine laufen.

Mein Hund mag alle Kinder wahnsinnig gern. Er mag sie so sehr, dass er an ihnen hochspringt und sie sogar mit der Zunge auf den Mund küsst. Ein toller hundeüblicher Liebesbeweis, findest Du nicht auch, Markus ? Mein Hund liebt dieses Spielchen, ich nicht. Es ist schön, dass mein Hund Kinder mag, darüber freue ich mich und fördere es, aber er soll nicht an ihnen hochspringen und sie nicht abschlecken. Warum nicht ? Weil die Kinder dabei erschrecken und wegen möglicher Krankheitsübertragungen vom Hund auf die Kinder. Weiß mein Hund das ? Nein, weiß er nicht. Kann ich ihm das erklären? Nein kann ich nicht. Warum kann ich das nicht ? Weil sein Gehirn das nicht packt, er weiß nicht was Viren sind und ich kann ihm das auch nicht erklären.

Also mache ICH notgedrungen wieder ein sehr unangenehmes Spielchen mit ihm, womit ich ihm das Hochspringen und Abschlecken von Kindern abgewöhne. ICH bringe ihm bei, auf das Kommando NEIN zu hören und ich frage ihn nicht, ab er das lernen will oder nicht. Er muß es lernen. Punkt.

Nachdem Ayko das Apportieren "richtig" gelernt hat, wird er das Kommando "Down" lernen. Damit hält man einen Jagdhund (Ayko ist ein Setter) davon ab, Wild zu hetzen. Sicherlich nicht sehr angenehm für den Hund, aber unbedingt notwendig, wenn er weiterhin in Feld und Wald frei laufen will, ohne mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten.

Das Apportieren werde ICH noch weiter ausbauen zum "Verloren such". Dabei MUSS mein Hund auf dem Weg, den wir gegangen sind zurückrennen und meine verlorenen Socken suchen und apportieren. Aus meiner Erfahrung weiß ich, dass meine Hunde wahnsinnig gerne und voller Stolz dieses herrliche Spielchen spielen, wenn sie es erst einmal richtig gelernt haben. Auch bei Yvonne sehe ich genau das bestätigt. Aber das ist auch so ein Spielchen, das zunächst ICH meinem Hund beibringe, ob er das will oder nicht ist mir zunächst völlig gleichgültig. Ich motiviere ihn mit Leckerli auf leeren Magen.

Diese Reihe könnte ich beliebig fortsetzen. ICH mache viele Dinge mit meinem Hund, die er zunächst gar nicht will, die aber unter dem Strich für ihn sehr positiv sind. Und wenn Du ehrlich bist, Markus, dann machst Du das genauso.

Eine Anleitung, wie auch Dein Hund apportieren lernt, folgt demnächst hier im Forum.

Du siehst also, Markus, ICH habe noch viele, viele Dinge mit meinem Hund vor. Alle werde ich ihm mehr oder weniger spielerisch beibringen oder "aufzwingen", weil ich weiß, was ich will, weil ich viele klare Ziele vor Augen habe. Weil ich schon vier Hunde hatte, weil ich viele Bücher über Hundeeerziehung gelesen habe.

Ich möchte einen Hund, der lernt auf meine Kommandos zuverlässig zu reagieren. Ich möchte einen Hund, der sich mir gerne und freiwillig unterordnet, weil ICH die Verantwortung für ihn trage und nicht umgekehrt. Und nicht zuletzt deshalb, weil sich Hunde bei einem liebevollen Führer, der immer konsequent und berechenbar ist und der genau weiß was er will, bedeutend wohler fühlen, als bei einem Waschlappen, der sich nie die Mühe macht, Hundeerziehung zu planen und in Angriff zu nehmen. Damit meine ich nicht Dich, Markus.

Nur ein gewissenhaft, sorgfältig und umfassend erzogener Hund kann in unserem Land ein Optimum an Freiheit genießen. Deshalb bringe ich meinem Hund auf jeden Fall auch das Apportieren bei. Ob er es braucht oder nicht, sei dahingestellt. Wenn er nicht will, dann werde ich ihn sanft, aber nachdrücklich dazu drängen, denn gerade das Apportieren fördert auf jeden Fall seine Lernfähigkeit und seine Lernbereitschaft und sein Kooperationsvermögen mit mir. Und ich befinde ich mich mit dieser Ansicht nicht in schlechter Gesellschaft.

Ein Hund, dem Du in seiner Jugendzeit (bis zum Alter von ca. 1 Jahr) möglichst viel beibringst und ihn dabei geistig forderst, wird ein kluger und lernfähiger Hund werden und bleiben. Ich hatte eine Irish-Setter-Hündin, die insgesamt ca. 100 verschiedene Worte, Laute und Kommandos verstanden und darauf reagiert hat. Ein einziger Pfiff mit der winzigen Ultraschallpfeife genügte um sie aus der Hasenhetze heraus abzurufen, auch dann wenn sie nur noch einen halben Meter hinter dem flüchtenden Hasen war.

Dabei war sie keine Sklavin meiner Kommandos, sondern ein stolzer und selbstsicherer Hund, freundlich und aufgeschlossen zu meinen Mitmenschen und außerordentlich kinderlieb und tadellos im Verhalten anderen Hunden gegenüber. Genau so einen Hund möchte ich wieder haben. Deshalb mache ich mir die Mühe, mit meinem Vierbeiner konsequent zu arbeiten und zu spielen. Und dafür ist mir kein Spielchen zu doof. Vor allem nicht das Apportieren.

Sicherlich kann man viele andere Vorstellungen von Hundehaltung haben und praktizieren. Das sei jedem Hundehalter unbenommen.

Das entgegengesetzte Extrem wäre: Man kann einen Hund zum Beispiel auch gar nicht erziehen, und ihn tun lassen, was er will und was ihm Spaß macht. Vielleicht um zu sehen, wie sich ein Hund dann entwickelt. Über kurz oder lang braucht man dann ein großes Gehege wie die Herren Zimen oder Trumler, wo sich der Wolf bzw. der Hund weitgehend natürlich und frei entfalten kann. Eine überaus interessante Sache in meinen Augen. Leider können sich nicht alle Hundehalter so ein Gehege leisten und die armen, nicht erzogenen Hunde landen dann im Tierheim.

Aber das ist nicht gerade das, was ich mit meinen Hunden vorhabe.

Viele Grüße aus dem Wilden Südwesten

Reinhold und Ayko
Thema: Apportieren mit Freude?


 
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