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20.12.00 -- Volker B.

RE: Zum Thema "Dominanzverhalten"














Hallo Andrea!

Was man nicht sehen kann, wenn man diese Antwort auf Deinen Beitrag liest, ist, wie hin- und hergerissen ich war, ob ich darauf antworten soll, oder nicht. Warum ich es letzlich doch wage liegt an meinem Gefühl, daß es einer großen Mehrheit der Forumsbesucher so gehen könnte wie mir, nachdem ich Deinen Beitrag gelesen hatte: ich dachte: »Im Wesentlichen hat sie so Recht, und außerdem ist dieser Beitrag ein wunderbares Plädoyer für einen bewußten Umgang mit dem eigenen Hund. Andererseits ist ihre Position so weit von dem Diktat der Alltagssituationen, mit dem die meisten Hundebesitzer täglich klarkommen müßen, entfernt, daß es doch noch einiger Klarstellungen und Ergänzungen bedarf.«

Dazu, auch im Bezug auf den ursprünglichen Beitrag von Reiner, nun folgendes:

1. Der Ansatz Deiner Argumentation ist widersprüchlich. Auf der einen Seite wird anerkannt, daß der Mensch Rudelführer sein soll; Reiner formulierte es so, daß der Mensch dem Hund zeigen muß, wo es lang geht. Auf der anderen Seite werden Verhaltensmaßregeln (an den Menschen) in Frage gestellt, die erfahrungsgemäß die Klarstellung oder Festigung dieser Struktur fördern. Nach meiner Ansicht liegt es sehr wohl auch an dem Charakter und der Lebenserfahrung des Hundes, ob er mit den subtilen Unterordnungsmethoden von Dir (böser Blick, Stimme anheben, selten Brüllen) angemessen angesprochen werden kann, oder ob vielfältigere, deutlichere, und aktivere Techniken nötig werden. Einig sind wir uns wohl in der Aussage, daß die unreflektierte und oft wiederholte physische Einwirkung auf den Hund allein keine Problemlösung bewirkt.

2. Deine Vorstellung von »physischer Gewalt« solltest Du näher erläutern, damit der dazu gehörige Absatz richtig eingeordnet werden kann. Ist z. B. das Zurückhalten des Hundes an der Leine »physische Gewalt«?

3. Der Absatz, der mit »Das heißt wiederum für Hundebesitzer, ...« beginnt, könnte aussagen, daß sich der Mensch im Zweifelsfall den Eigenarten (Fähigkeiten?!?) des Hundes anpassen muß, um das Zusammenleben zu stabilisieren. Das würde nämlich auch den Ansatz, man kann sich mit minimalen, an das Hundeverhaltensrepertoire angepasste Gesten ohne Rangordnungsprobleme mit dem Hund verständigen, leichter nachvollziehbar machen. Ich denke, das kann nicht so gemeint sein, und wenn es so gemeint war ist es Quatsch!

4. Die zitierten »im Forum bestens bekannten Probleme« sind nach meiner Beobachtung in der Mehrzahl solche, bei denen die von Dir als Idealmodell skizzierte, gewachsene Mensch-Hund-Gemeinschaft als Ursache des Problems nachhaltig gestört war. So gesehen hilft Dein Denkansatz in diesen Fällen nicht nur nicht weiter, sondern verunsichert die unerfahrenen Betroffenen. Wenn dann noch pauschal ausgesagt wird, daß alle Tipps, die direkt umsetzbare, klare und deutliche Handlungen empfehlen, von Scharlatanen und »Möchtegerns«, die man besser nicht beachten sollte, gegeben werden ist die Verunsicherung komplett! Die Menschen, die hier Fragen stellen, suchen doch gerade nach Wegen mit Verhaltensänderungen bei sich selbst Erfolge beim Ändern des Zusammenleben mit dem Hund zu erreichen.

Da Dein Gewaltbegriff im Bezug auf Hunde für mich völlig im Dunkeln liegt kann es sein, daß mein persönliches Beispiel, daß ich jetzt noch anfügen möchte, Deinen Aussagen nicht widerspricht. Ich vermute trotzdem, daß sich darin mehr Leute wiedererkennen können, als in dem von Deinem Hund und Dir: meinen Briard-Rüden, älter als 2 J., habe ich Anfang September des Jahres aus privater Hand übernommen. Dieser Hund hat mir in der Zeit bis heute seine deutlich zweigeteilte Welt gezeigt: im Haus und auf dem Grundstück ist er ein Vorbild an Gehormsam und Lernwilligkeit. Auch zeigt er keinerlei Rangordnungsirritationen. Er springt mich, außer im Spiel, zu dem er aufgefordert wird, niemals an (von Knurren, sich entziehen, Widerstand zeigen gar nicht zu reden) - andere schon, wenn ich es nicht unterbinde, läßt sich zu jeder Zeit am ganzen Körper anfassen, bürsten etc., reagiert schnell auf Kommandos, lernt kleine Neuerungen, die ich ihm abverlange, sehr schnell (2 bis 3 Wiederholungen, und er macht, was von ihm gefordert wird). Wenn wir zum Ausgehen das Gelände verlassen verkehrt sich sein Verhalten ins Gegenteil. Er verliert jedes Interesse an mir, denn er will nur noch vorwärts, er reagiert auf bekannte Kommandos mit erheblicher Verzögerung, oder gar nicht (gleichermaßen zu Beginn und zum Ende unserer Runden), er macht Übungen nur sehr wiederwillig (Ich trainiere intensiv das Kommando »komm«. Wenn er dann wirklich mal kommt ist er so absorbiert von den Einflüssen rundherum, daß er häufig sein Leckerchen einfach fallen läßt, um wieder bis zum Ende der Leine vorwärts zu stürmen). Durch seinen ausgeprägten Jagdinstinkt läuft er nur angeleint, da er jede Gelegenheit nutzt, um zu verschwinden - zu Hause vergehen hingegen keine 5 Minuten ohne das er feststellt, wo ich gerade bin.

Wenn ich diesen Hund nicht mit Körperkraft an der Leine in verschiedenen Situationen zurückhalten würde, einfache Kommandos in den Situationen, wo der Hund mich nicht wahrnimmt/wahrnehmen will (Du kannst sicher sein, daß ich alle körperlichen Ausdruckmöglichkeiten einsetze, um bei meinen Hund Aufmerksamkeit zu erregen) mit der Hand durchsetzen würde, den Hund, wenn sein Unwillen in totale Ignoranz überzugehen droht, nicht mit einem überraschenden, physischen Einwirken »zurückholen« würde, könnte ich das Grundstück nicht verlassen. Das hätte zur Folge, das dieser laufgewaltige Hund körperlich verkümmern würde, und natürlich auch sozial nicht ausgelastet wäre. Nur mit mir rumkaspern ist ganz bestimmt nicht genug.

So, wie ich Deine Argumentation verstehe, stimmt entweder trotz aller vorbildlichen Verhaltensweisen meines Hundes zu Hause unsere Rangordnung nicht (das würde ich inzwischen nicht mehr einsehen), oder es wäre meine Aufgabe eine Umgebung zu suchen, in der ich meinen Hund trotz Jagdverhalten abhauen lassen könnte (seine Fähigkeiten erkennen), um dann über einen langen, langen Zeitraum mit Geduld, Lob, bzw. erhobener Stimme ihm dieses nicht erwünschte Verhalten abzugewöhnen - oder vielleicht nicht einmal das.

Ich schreibe dieses nicht, um Deine Aussagen in Frage zu stellen. Wie oben erwähnt fand ich Dein kurzes Statemant als Ansporn und Maßstab, an dem man das eigene Handeln prüfen sollte, sehr, sehr gelungen. Als Beitrag, der zur richtigen Einstellung bei der Klärung konkreter Probleme beitragen soll, finde ich ihn verwirrend.


Gruß, Volker B.
Thema: Zum Thema "Dominanzverhalten"


 
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