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15.11.00 -- Sören

RE: Soll ich mit meinem Rottweiler Schutzdienst machen? an Andrea














Hallo Andrea,

eine Menge Text, mit dem Du uns hier konfrontierst. Ist etwas schwer zu lesen, da nicht klar ersichtilich ist, wo Du jetzt einen anderen Text zitierst und wo Du Deine eigene Meinung unterbringst. Ich hoffe, ich konnte es trotzdem richtig erfassen und kann es somit auch einigermaßen passend beantworten...

Im ersten Teil des Textes stimme ich zu. Mit eigenen Worten zusammengefaßt: Aggression ist etwas natürliches und eine "Triebfeder" für alle aktionsspezifischen Handlungen eines Hundes. Aggression ist also nicht widernatürliches oder nicht-wünschenswertes, ganz im Gegenteil, sie ist überlebensnotwendig. Aggression ist nicht gleich Aggressivität, die sehr wohl unerwünscht ist und die nicht aufkommen darf, da sie unkontrollierbar ist. Das ganze hat übrigens schon Konrad Lorenz in Ansätzen in seinem Buch "Das sogenannte Böse" vor einigen Jahrzehnten verfaßt. Es ist also nicht neu und meiner Meinung nach auch unstrittig.

Die Brücke, die Du (oder der Autor des Textes.. ist nicht klar zu erkennen) dann zum Schutzdienst schlägst, ist nicht so klar nachzuvollziehen. Ich verstehe nicht, warum ein Hund, ein Beuteobjekt, welches nah am Körper getragen wird, nicht losgelöst vom Körper betrachten kann. Zahlreiche Beobachtungen und Tests beweisen hier das Gegenteil. Auch verstehe ich nicht, warum plötzlich Beuteaggression, die am Anfang als natürlich und individuell von Hund zu Hund unterschiedlich stark ausgeprägt dargestellt wird, plötzlich negativ bewertet wird. Hier wird ein Urtrieb, der bei jedem Hund vorhanden ist, plötzlich weggeleugnet und somit auch nicht ausgelastet, da es ja etwas schlechtes ist...

Was aber viel mehr ins Ausge fällt, ist der offensichtiche Widerspruch (jeder der von SchH-Ausbildung Ahnung hat wird ihn sehen) zwischen einerseits erwünschtem ruhigen, sicheren und festem Griffverhalten und andererseits die unterstellte Aggressionsförderung bei einem Welpen oder jungen Hund. Das ist kontraproduktiv!!!! Aggressions- bzw. Wehrverhalten sind unvereinbar mit einem ruhigen Griffverhalten. Ein ruhiges Griffverhalten MUSS aus der Beute kommen, wenn man Aggression (=Konflikt) einbaut, leidet der Griff. Gerade bei einem sehr jungen Hund, der Aggression noch gar nicht zeigen kann. Die entwickelt sich erst bei einem erwachsenen Hund, zwischen dem 2. und 3. Lebensjahr. Alles davor ist in der Regel ein etwas unsicheres Mischverhalten, Ausnahmen bestätigen die Regel. Aber ruhiger Griff durch Aggressionsförderung???? Das wieder eröffnet völlig neue Erkenntnisse in der Schutzhundeausbildung... habe ich bisher immer gegenteilig gehört und erfahren.

Ebenso ist es die richtige Beiß und Sprungtechnik (der berühmte Beutesprung, bei der Mäusejagd zu beobachten) ein Verhalten, bei dem eine Aggressionsförderung absolut kontraproduktiv ist. Das würde den Hund in immense Konflikte stürzen, die ein sehr junges Tier gar nicht bewältigen kann. Somit auch wieder eine Zerstörung des Vertrauensverhältnisses Hund-Helfer und des Griffverhaltens, das knurrig, unruhig und in den Ausphasen sehr unsauber wird.

Das Training der Beißhemmung hat in der Beutearbeit nichts zu suchen. Es ist dort widernatürlich. Beißhemmung nur gegenüber Artgenossen und Sozialpartner Mensch, aber nicht gegenüber Beuteobjekten. Ein Hund, der einem Kaninchen gegenüber eine Beißhemmung zeigt, ist nicht lebensfähig und muß verhungern. Wenn man einem Hund diese Urinstinkte abgewöhnen oder wegzüchten will, sollte man sich auf Schildkröten oder Stoffhunde beschränken.

Zu der Gewöhnung an Umweltreize und Stresssituationen: Ein Hund, der gegenüber Umwelt nicht neutral reagiert und keinen Streß aushält, kann in der Schutzhundeausbildung NIEMALS eine gute Leistung bringen. Somit ist die Aussage:

"Dass die Förderung wesensstarker Welpen weniger ihre Kampfkraft, sonder mehr ihre Gehirnentwicklung (Umwelterfahrung) und Organentwicklung (Belastbarkeit bei Stress) verbessern soll, wird wenig berücksichtigt."

Wieder nur einseitig formuliert. Bei einem Welpen, der im Sport geführt werden soll, muß BEIDES gefördert werden. Förderung der Kampfkraft (= Triebverhalten, setze mal voraus, das dieses damit gemeint ist) kann man auch noch später machen. Eine Umweltneutralität ist aber unerläßlich, um den Hund im Sport zu führen... jeder gute Sportler weiß das und wird darauf auch ganz besonders achten.

Zu den wesensschwachen Hunden in der Zucht: Man kann beobachten, das sich in den "Schönheitslinien" mehr wesenschwache Hunde befinden als in den "Leistungslinien". Das ist unstrittig. Auch findet man bei den reinen Familienhunderassen (=Rassen, die keine Sportprüfung als Zuchtvoraussetzung haben und auch den Sport innerhalb des Vereines nicht besonders fördern) mehr "Wesenskrüppel" als bei den Gebrauchshunderassen. Das hier natürlich auch die Auszucht, die Prägung, die Haltung und die Erziehung eine Rolle spielt, sollte ebenfalls unstrittig sein. Auch ein genetisch 100% einwandfreier Hund, kann durch falsche Prägung und Erziehung zu einem angstbeißenden Nervenbündel gemacht werden. Somit ist das Ziel, innerhalb einer Rasse nur wesensfeste Hunde zu züchten illusorisch und nicht zu erreichen.

Ach so, wenn Du immer noch glaubst, das Sporthundeausbildung = Ausbildung des Hundes als Waffe ist, können wir diese Diskussion hier beenden. Dann würde ich Dir raten, Dich nochmals intensiv in die Materie einzulesen und sich vielleicht auch mal die Abhandlungen von SchH-Befürwortern zu Gemüte zu führen. Die sind nämlich midestens so überzeugend geschrieben wie der von Dir abgetippte Text.

Gebrauchshundesport ist wichtig: Für die Selektion in der Zucht, für eine Wesensüberprüfung, für die Auslastung des Hundes in ALLEN Triebereichen und für den Erhalt der Gebrauchshundefähigkeiten. Ach so... und es macht Hund und Halter Spaß... das ist meiner Meinung nach das Wichtigste!!!

Viele Grüße

Sören
Thema: Soll ich mit meinem Rottweiler Schutzdienst machen?


 
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