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BSE-Gefahr auch für Hundefutter?
6. Dezember 2000
Wahnsinnig aktuell: Eine eMail-Blitzumfrage an etliche Hundefutter-Hersteller überlegte sich hundezeitung.de. Doch was hätten wir von den Antworten und Versicherungen? Mit Sicherheit nichts. Bislang waren auf diesem Gebiet der generellen Fleischversorgung fast alle Versicherungen unseriös. Bisher wurde beim Hundefutter nichts Gefährliches bekannt, und bekannterweise verunsichert genau dies. Wäre es beruhigend, wenn die Hundefutterindustrie darüber die Kunden informieren würde, woher sie ihr Fleisch beziehen? Es wäre ein Anfang für die Herstellung des Vertrauens. hundezeitung.de informiert - wer es noch nicht weiss - wenigstens darüber, was „State of the Art" is(s)t.
Es ist nach Ansicht von Fachleuten inzwischen auf dem veterinärmedizinischen, landwirtschaftstechnischen sowie Tierfuttermittel-Sektor nur eines sicher: dass nichts sicher ist. Nicht einmal beweisbar ist, dass Fleisch oder Tiermehl als „Transporteur" von BSE nachgewiesen werden kann. Es ist derzeit nur wahrscheinlich. Bei Menschen sind nun Vegetarier fein raus. Aber Hunde nicht. Zwar sind sie nicht ausschliesslich Fleischfresser, sondern - wenn schon - Fast-Alles-Tierfresser. Aber um die Hunde geht es uns. Kann es nicht schon Fehldiagnosen gegeben haben, weil nur auf diesem Sektor noch nichts Krankhaftes bekannt wurde? Die meisten Hersteller fabrizieren auch Nutztierfutter.
Zuerst ist diese Erkrankung bei Schafen entdeckt worden, dort heisst sie Scrapie. Versichert wird viel, bisher ist kein Fall von Hunde-Erkrankung durch Scrapie oder BSE bekannt geworden. Das sagt aber, wie wir wissen, noch gar nichts.
Eine Vermutung ist bisher unwiderlegt: dass solche Seuchen vornehmlich durch die Industrieproduktion ausgelöst werden. Und durch Profitdenken.
Was ist BSE?
Über welche Erkrankung reden wir? BSE wurde 1986 erstmals in Grossbritannien festgestellt. BSE ist die Abkürzung von „Bovine Spongiforme Enzephalitis". Es handelt sich dabei also um eine bislang unheilbare Gehirnkrankheit bei Rindern. Sie verursacht schwammartige Löcher in den Gehirnen der Tiere. Die Seuche führt bei Tieren zu Krämpfen und dem Verlust des Koordinationsvermögens. Deshalb spricht man auch vergröbernd von „Rinderwahnsinn". Doch die Rinder werden natürlich nur durch den Erreger „wahnsinnig".
So genannte Prione stehen im Verdacht, den Wahn auszulösen. Prione sind im Grunde harmlose Eiweissmoleküle. Aus bisher unerklärlichen Gründen können sie sich jedoch verformen und sind dann vom Körper nicht mehr abbaubar. Prione lagern sich vornehmlich in Nervenzellen ab, die dann zu Grund gehen. Übertragen wird BSE offenbar durch die Nahrungskette.
Die erkrankten britischen Rinder wurden mit versuchtem Tiermehl gefüttert. In dieses Tiermehl hatten Hersteller Überreste von Schafen gemischt, die an einer Nervenkrankheit (Scrapie) verendet waren. Durch die Untersuchung entstand der Verdacht, dass die Schafseuche Scrapie sich durch den Wirtwechsel in BSE gewandelt hatte.
Es gilt mittlerweile als sicher, dass sich ein solcher Wirtwechsel auch zwischen Mensch und Rind vollziehen kann. Menschen erkranken dabei an einer Spezialform der Creuzfeldt-Jakob-Erkrankung und können sterben.
Sind wir sicher, dass nicht einige Krankheits-Erscheinungen, die bisher anders, möglicherweise falsch diagnostiziert wurden, schon die ersten Formen an einer kommenden Hunde-Seuche sind? Warum ist bei vielen Nahrungsketten eine Erkrankung bekanntgeworden, aber nicht bei Haustieren?
De Schweizer Tierschützer Ernst Krüsi behauptet, dass bisher in Grossbritannien etwa 70 Katzen höchstwahrscheinlich wegen BSE-Übertragung (bei Katzen: FSE, F für feline) eingegangen seien. Grund: Trockenfutter mit Fleischmehl-Zusätzen, die damals weniger hoch erhitzt würden als vorgeschrieben. Der deutsche Molekularbiologe Roland Heynkes dagegen: „Es ist inzwischen durchaus umstritten, ob wirklich die an Rinder verfütterten Schafskadaver die BSE-Seuche ausgelöst haben." Er schliesst seine Ausführungen: „Durch die Verfütterungen dieses Fleischknochenmehles gelangen immer noch ständig neue Erreger aus England zu uns und in unsere Nahrungskette."
Haustier-Ernährungsforschern wird in der nächsten Zeit die Arbeit nicht ausgehen.
hundezeitung.de fragt die Hundefutter-Hersteller öffentlich:
Wie können Sie garantieren, dass in Ihren Futtermarken keine verseuchten Mittel enthalten sind?
Können Sie versichern, welches Fleisch Sie woher beziehen und wie verarbeiten?
Wie garantieren Sie, dass Ihre Futtersorten frei von BSE oder Scrapie oder ähnlichen Krankheiten sind?
Wie informieren Sie Ihre Händler und Kunden über Ihre Herstellungsnachweise?
Wie ersetzen Sie gegebenenfalls Tiermehl?
Wie reagieren Sie auf mögliche Verunreinigungen in Ihren Futtern?
Was immer die Hersteller geantwortet hätten oder unaufgefordert antworten: sie können sich der Informationspflicht und Verantwortung nicht entziehen. Schlimm genug, wie sich Verantwortliche wie der Bundeslandwirtschaftsminister Funke fast wöchentlich zuerst versichern und dann herauswinden.
Nur die Verunsicherung bleibt sicher. Es hilft nicht viel zu sagen: Ich mache das Futter selber. Denn wer produziert schon die Zutaten selbst und kann sie daher kontrollieren? Es geht leider nicht ohne Glauben und Vertrauen. Unsere Hunde fressen das, was wir ihnen vorsetzen. Sie vertrauen uns blind. Der Wahnsinn hat wirklich Methode, er frisst biss-weilen auf.
hundezeitung.de fragte eine renommierte Tierernährungs-Wissenschaftlerin, was sie den Haltern und - letzten Endes - Hunden rät.
1. Frage: Wie sollen sich Hundehalter beim Kauf verhalten, was vermeiden?
2. Frage: Gibt es eine Gefahr der BSE- oder Scrapie-Verseuchung im industriell hergestellten Hundefutter?
Prof. Dr. E. Kienzle, Lehrstuhlinhaberin für Tierernährung und Diätetik an der Tierärztlichen Fakultät der Universität München:
„Grundsätzlich ist eine BSE-Verseuchung von industriell hergestelltem Hundefutter nicht auszuschliessen. Das Herstellungsverfahren ist nicht geeignet, den „Erreger" zu inaktivieren. Wenn also Rindfleisch von infizierten Rindern ins Hundefutter gerät, ist damit zu rechnen, dass der „Erreger" nicht zerstört wird.
Entgegen Behauptungen vieler Medien verwendet die Hundefutterindustrie aber kein Tiermehl. Dies ist eine freiwillige Beschränkung, die sich die Hersteller auferlegt haben. Es gibt Gründe, zum Beispiel das Ergebnis einer Prüfung durch die Stiftung Warentest, den Versicherungen, dass dies auch eingehalten wird, Glauben zu schenken. Sehr wahrscheinlich ist eine Infektion durch Fertigfutter daher nicht.
Auch wenn nicht „mit Rind" draufsteht, kann Rind im Fertigfutter sein, da unter die Gruppendeklaration „Fleisch und tierische Nebenerzeugnisse" natürlich auch Rindfleisch, Pansen oder Leber fallen. Nur wenn ausdrücklich deklariert ist, dass ein Futter nur Fleisch einer anderen Tierart enthält, darf kein Rind enthalten sein. Die meisten sind allerdings auf Lammfleischbasis, das bringt natürlich keine zusätzliche Sicherheit.
Es gibt aber auch Fisch in diesem Zusammenhang. Vegetarische Hundefutter sollten ebenfalls frei von Rindfleisch sein. Allerdings haben bisher die Hersteller, die sich wissenschaftlich ernsthaft mit Hundeernährung beschäftigen, sich mit vegetarischen Futtern sehr zurückgehalten.
Natürlich kann man auch selbst kochen. Dann muss langfristig aber korrekt mineralisiert und vitaminisiert werden. Vor allem bei Welpen sind die Risiken durch Mangelerkrankung sonst grösser als die durch BSE. Einfach nur irgendein Mineralfutter zuzugeben, wird meist zu Fehlversorgung führen. Wie ich die Hundefutterindustrie kenne, wird es in sehr kurzer Zeit auf dem Markt Produkte geben, die kein Rindfleisch enthalten. (Überspitzt gesagt, die Hundefuttermittelindustrie wird das schneller in den Griff kriegen als die Politik, wobei man zugeben muss, dass das Problem des Tiermehls insgesamt gesehen auch etwas komplexer ist.)
Bis diese Produkte in den Regalen liegen, kann man ja, wenn man sehr viel Angst hat, auch selber kochen. Bitte bedenken Sie bei Welpen grosswüchsiger Rassen, dass diese eine Fehlversorgung mit Calcium nicht gut tolerieren, auch nicht für kurze Zeit."
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