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23.08.01 -- Sabine Kropp

Eine schöne Geschichte! (sehr, sehr lang!)














Hallo an alle!
Ich habe im Mai meinen Hund verloren. Er wurde im Alter fast 7 Jahren von einem Auto überfahren. "Gismo" war ein Jack Russel Rüde. Mein Freund hat zum Angedenken an Ihn folgende Geschichte geschrieben:
GISMO - ein Hundeleben
Am 29. Oktober 1995 sind wir uns zum ersten Mal begegnet. Dieses weiß-braune Etwas, das ein Hund sein sollte und bequem in einem Schuhkarton Platz gefunden hätte, feierte an diesem Tag seinen einjährigen Geburtstag. Gismo, wie das Kerlchen hieß, stellte sich zu meiner Begrüßung auf die Hinterbeine, streckte und reckte sich dabei, doch erreichte er nur knapp mein Knie. Er hat mir in der Folgezeit dann aber sehr schnell und überdeutlich klar gemacht, daß er ein richtiger ausgewachsener Hund war, ausge-stattet mit einer bunten Palette von Eigenschaften, die seine kleine Größe schnell vergessen ließen und ihn so überaus liebenswert machten. Daran ist ganz gewiß maßgeblich auch die Erziehung und Fürsorge von Sabine, seiner Besitzerin, beteiligt, denn er war der Mittelpunkt ihres Lebens. Sie überschüttete ihn mit Liebe, Zärtlichkeit und Nachsicht. Er war uneingeschränkt ihre Nummer Eins. Klar, daß Gismo sich dann so zärtlich, feinfühlig, sanftmütig und ohne Aggressionen ent-wickelte, was für einen Jack Russel, einen Terrier also, keineswegs selbstverständlich ist. Wie die beiden, Sabine und Gismo, in völliger Vertrautheit miteinander um-gingen, war rührend anzusehen. Ich erinnere mich daran, wie Gismo Sabine oft zum Spielen aufforderte, wenn er sich lang-weilte, und wie er es bei keinem anderen getan hat. Er biß sich bei ihr z. B. im Hosenbein der Jeans fest und ließ sich von ihr so durch die ganze Wohnung schleifen, wobei er dabei natürlich furchter-regend knurrte. Auf diese Weise konnte er wenigstens ein biß-chen seine Terrierlust ausleben. Dies alles und vielmehr ist nun vorbei.

Ja, man muß von Gismo und seinen Besonderheiten nun in der Vergangenheitsform erzählen. Denn gestern wurde er gebracht, steif und mausetot, von einem Auto über-fahren. Bislang dachte ich, daß nur der Anblick eines großen, toten Hundes ans Herz greift. Aber der Anblick dieses toten kleinen Gismo, bar seiner Quicklebendigkeit, war dann doch etwas, auf das man nicht ge-faßt war. Gewiß, da war seine Jugend von nur 6 Jahren. Aber dieser Augenblick des Abschiednehmens beinhaltete mehr. Dieses kleine Wesen war so sehr Persönlichkeit gewesen und einem damit so nah auf die Haut gerückt, daß der Abschied von ihm irgendwie mehr bedeutete als der bloße Abschied von einem geliebten Tier, zumal man doch weiß, daß unsere Tier-freunde einen immer nur ein kleines Stück des Weges begleiten können. So klein dieser kleine Gismo war, so übergroß ist jetzt das Loch, das er hinterlassen hat. Es ist nun so still im Haus und darum herum, und man lauscht, ob man ihn nicht doch noch irgendwo kläffen hört. Ach ja, und wenn er so aufmerksam vor einem saß und dann schon mal seine kleine Pfote hob zum Zeichen, daß er sich so sehr etwas wünschte. Und warum dieses Loch so groß ist, sollt Ihr nun erfahren, damit dieses stolze, lebendige, kluge sen-sible und so freiheitsliebende Kerlchen nicht gar so schnell in Ver-gessenheit gerät. Deshalb will er Euch nun seine Geschichte er-zählen:

Also, wie gesagt, man nennt mich Gismo. Im kommenden Oktober wäre ich 7-jährig geworden, wenn mir nicht dieses Malheur mit dem Auto passiert wäre. So schaut jetzt meine Seele auf Euch herab und berichtet Euch von meinem kurzen aber spannenden Leben. Und das Tollste ist, daß ich jetzt dann doch noch das Fliegen gelernt habe. Aber dazu später.

Meine Geburt war in jeder Hinsicht ein „Unfall". Mein Bruder und ich mußten mit einem Kaiserschnitt auf die Welt geholt werden, denn meine Mutter war nicht nur minderjährig, son-dern noch so jung, daß ihr Körper gar nicht auf uns einge-richtet war. Um Haaresbreite hätte sie dabei ihr Leben eingebüßt. Sie ist dann jedoch einige Monate später durch einen Pferdetritt ums Leben gekommen. - Mal nebenbei bemerkt: Bei den Jack Russel scheint eine unnatürliche Todesursache die natürliche zu sein. - Wir waren meiner jungen Mutter aber irgendwie lästig, so daß mich meine Tante aufnahm, die zu dieser Zeit glück-licherweise mit der Auf-zucht eigener Kinder beschäftigt war. Ja, um das Maß noch voll zu machen, war mein Vater auch gleichzeitig mein Großvater. Bei dieser Sachlage kann man also kaum behaupten, daß mein Familienleben ein geordnetes war. Aber war ich doch immerhin reinrassig, worauf die uns be-herrschenden Menschen offenbar so großen Wert legen. Warum das so ist, habe ich bis heute nicht begriffen, zumal mir später im Leben bei meinen diversen Ausflügen so mancher pfif-fige und gutaussehende Mischlingsbruder begegnet ist. Komisch diese Menschen mit ihren unbegreiflichen Wertvorstellungen.

Also mein Leben begann alles andere als geordnet und vielver-sprechend. Doch in all dem Unglück hatte ich Glück. Eines Tages beugte sich Sabine über mich und betrachtete mich liebevoll von allen Seiten. Sie mußte sich aber erst einmal an meinen küm-merlich kleinen Anblick gewöhnen, denn ihre Vorstellungen von einem richtigen Hund füllten ein Schäferhundrüde aus, den sie auf tragische Weise ver-loren hatte.
Als ich dann acht Wochen alt war, steckte mich Sabine in ihren unten zuge-schnürten Anorak und nahm mich mit. Kennt Ihr den Film „Roots"? Bei uns Hunden ist es genauso. Jeder landet letztlich irgendwo. Ich aber hatte damit auf einmal eine neue, wundervolle Mutter, die später dann meine Freundin und aus-schließliche Liebe wurde. Als ich noch so klitzeklein war, schleppte mich Sabine in ihrem Anorak überall mit hin. Darin konnte ich dann gemütlich pennen oder um ihre Taille kurven. Doch schnell wurde ich zu groß für den Anorak. Und schon wartete das nächste Abenteuer auf mich. Sabine arbeitete zu jener Zeit auf einem weit-läufigen Pferdegestüt, wo ich frei rumlaufen konnte, und wo eine riesengroße Hündin namens „Gina" Gefallen an mir fand. Sie fand mich überhaupt nicht zu klein, was meinem Ego verständlicherweise ganz gut tat. Ge-meinsam haben wir dann die Gegend erforscht, wobei das Jagen dieser saublöden Hühner einen besonderen Riesenspaß bildete. Bedauerlicherweise mußte Sabine aber die Arbeitsstelle wechseln, weil das Pferdegestüt einen neuen Eigentümer be-kam. Dieser Arbeits-stellenwechsel hatte für mich leider einige Einschränkungen zur Folge. Sabine mußte jetzt den ganzen Tag in einem Büro arbeiten, wo es für mich keinen einem Terrier adäquaten Auslauf gab. Abends ging es dann zurück in Sabines verqualmte Bude, wo mir jedes Mal die Augen tränten. Ich hatte nämlich ein Augenleiden, das daher rührte, daß die Tränenkanäle bei mir irgendwie anders verliefen, wie das eigentlich sein sollte. Meine Augenreizung versuchte Sabine zwar durch Salben zu lindern. Aber es war eben nur ein Behelf. Und daß ein starker Raucher das Rauchen einstellt, scheint wohl ein unmögliches Verlangen zu sein. In dieser Zeit war mein Lebensglück also etwas eingetrübt, zumal ich damals auch die Aus-wirkungen einer Leine beim abendlichen Ausführen zum Pinkeln kennenlernte. Nein, toll war das alles nicht. Nun muß ich allerdings zugeben, daß mir Sabine - um meine Not wissend - bemüht war, mir das Leben so angenehm wie möglich zu ge-stalten. In einem Punkt mußte ich allerdings etwas nachhelfen. Sabine kannte offensichtlich nur Großhunde, die wie Müll-schlucker alles in sich reinschaufeln. Um sie darauf aufmerksam zu machen, daß ich ein ausgesprochener Feinschmecker war, nahm ich nur noch so viel von dem Großhundefraß zu mir, daß ich nicht ver-hungerte. Und als Sabine dann sah, wie ich zu-sehends dünner wurde, erschienen plötzlich die köstlichsten Fleischstückchen vor meiner Nase, die Sabine aus winzig kleinen Blechbüchsen rauszauberte. Das muß sie ein kleines Vermögen gekostet haben. Fehlte eigentlich nur noch ein silberner Napf mit Kerzenbeleuchtung, wie man es oft in der Fernsehreklame sehen kann, wenn da z. B. so was versnobtes wie Dalmatiner „zu Tisch" gebeten werden.

Ja, Sabine war wirklich bemüht mein Leben in dieser Situation so abwechslungs-reich wie eben möglich zu gestalten. Sie kaufte mir Unmengen knallbunter Spiel-sachen, in die man reinbeißen konnte, wobei diese unterschiedliche Quietschge-räusche von sich gaben. Natürlich durfte ich auch in ihrem Bett schlafen, sozu-sagen Arschbäckchen an Arschbacke. Wirklich, sie war toll lieb zu mir. Ich ver-mute, daß ich ihr Ersatzkind war. Und wenn wir mal für ein paar Stunden ge-trennt waren, was selten vorkam, dann begrüßte sie mich anschließend immer überschwenglich mit „Gissi", was jedoch, ehrlich gesagt, nicht so gut für meine Ohren klang. Mir verschlug es bei diesen Wiedersehen auch jedes Mal die Sprache vor Freude. Ich schnappte mir dann den Saum eines Hosenbeins und ließ mich so von ihr durch die ganze Bude schleifen. Meist wurde dann anschließend noch Fangen gespielt. Klar, daß ich da jedes Mal Sieger blieb, denn flink ist sie nun wirklich nicht, meine Sabine. So war die mir durch die unabänderlichen Lebensum-stände aufgezwungene Bewegungs-einschränkung zwar irgendwie auszuhalten, aber der Hit war das nicht.

Aber das Glück war wieder auf meiner Seite und beendete nach ca. einem Jahr diese mir auferlegten Einschränkungen. Mein Leben sollte sich plötzlich phänome-nal, überproportional, gigantisch ändern, oder wie soll ich sagen.
Eines Tages erschien ein langer dünner Mann auf der Bild-fläche, wie die Menschen ihre Rüden bezeichnen. Dieser gefiel mir fürs erste gar nicht so gut, weil der gar keine Notiz von mir nahm. Er wollte beispielsweise gar nicht zur Kenntnis nehmen, welch ein selten weißes Fell mit braunen Verzierungen ich hatte, worum mich mancher Zuchtrüde glatt beneidet hätte. Und damit nicht genug, mußte ich noch mit anhören, wie dieser Mann fragend zu Sabine bemerkte, ob es sich bei mir tatsäch-lich um einen Hund handele. Wäre ich nicht ein so bemerkens-wert friedvoller Jack Russel gewesen, hätte ich diesen Igno-ranten glatt in die Wade gebissen, denn für höher hätte es ja leider nicht gereicht. Aber ich hatte mir vorgenommen, diesem Mann schon noch klar zu machen, was für ein groß-artiger Hund ich war, wenn er hier öfter aufkreuzen sollte. Und tatsächlich, er kam öfter. Dann sprach er schon mal mit mir, aber leider in einer Art, als sei ich völlig unterentwickelt. Später erfuhr ich den Grund für diese seine Ignoranz. Er war nämlich immer von Doggen umgeben, diesen schwerfälligen und wohl auch nicht sehr intelligenten Ungeheuern, denen unsereins bequem unterm Bauch her-laufen konnte, ohne anzustoßen. Und dann geschah es, daß er mich streichelte, wenn auch flüchtig und etwas ge-dankenverloren, aber es war tatsächlich ein Streicheln - ohne Zweifel. Und so allmählich kam ich zu der Überzeugung, daß er eigentlich gar nicht so übel zu sein schien, zumal er auch schon mal was für meine Schnauze vom Tisch fallen ließ, womit er sich jedes Mal Ärger von Sabine ein-handelte. Nein, bei Licht be-trachtet, war er eigentlich ganz in Ordnung.

Dies schien auch Sabine zu denken. Denn eines Tages steckte sie mich in ihr Auto und wir fuhren und fuhren und fuhren, bis wir dann doch noch angekommen sind, nämlich da, wo dieser Mann zuhause ist. Zum ersten Mal sah ich dort die Sonne, die wohl auch für die große Hitze verantwortlich war. Und noch ver-blüffter war ich, als Sabine mir beim Aussteigen gar nicht die Leine anlegte. Wäre ich nicht ein Jack Russel gewesen, hätte mich dies bestimmt verunsichert.

Ich war eigentlich auch nicht so leicht zu beeindrucken. Aber wohin ich hier geraten war, da schien alles ein paar Nummern größer geraten, zumal das Haus und die Bäume und nichts wie Gegend. „Gegend ohne Leine" schoß es mir durch den Kopf. Aber zu weiteren Überlegungen kam ich erst mal nicht. Denn aus der Haus-tür kam ein Ungeheuer rausgestürmt. Zu einem An-griffsplan hatte ich gar keine Zeit, da verdunkelte mir schon eine riesige Zunge die Sicht. Blitzschnell war ich abgeleckt - von Olga, einer beinahe haushohen Doggenhündin, bildschön - aber in jedem Fall zu hoch für mich. Es würde also bei kamerad-schaftlicher Zuwendung bleiben müssen. Jammerschade, aber nicht zu ändern. Als meine Sicht wieder frei wurde, gewahrte ich einen anderen Hund. Er hörte oder auch nicht auf den Namen „Kaspar". Und - kaum zu glauben - er war der Liebhaber von Olga gewesen; jetzt war er zu alt. Der war gar nicht viel größer als ich, zudem noch ein Mischling. Aber er war - und das machte den besagten Unterschied aus - ein echter Süd-franzose. Und diese kennen offensichtlich keine Hindernisse, wenn es um Liebe geht. Denn Willi und Berta, die Kinder von Olga und Kaspar, gesellten sich auch noch zur allgemeinen Beschnup-perung. Dabei wollte es mir augenblicklich er-scheinen, daß ich langfristig einem Krach mit Willi kaum aus dem Wege gehen konnte. Das hat man als Terrier sogleich in der Nase. Famoserweise lebte Willi aber mit seiner Schwester in einem Zwinger, so daß ich das Haus nur mit der gutmütigen Olga und dem alternden Kaspar teilen mußte. Und glücklicherweise schliefen die beiden auch nicht in den Betten der Menschen, sondern in der Club-garnitur im Wohnzimmer.

Sodann lernte ich Barbara kennen, eine heitere Menschenfrau, die auch irgendwie zu dem langen Mann zu gehören schien. Diese schloß mich sofort in ihr Herz. Und nachdem ich meine ersten - leinenfreie - Streifzüge in dieser schier unendlichen Gegend unternommen hatte, stand für mich fest, wenn es irgendwo das Hunde-paradies gab, dann hatte ich es hier ge-funden. Allerdings gab es da eine kleine Ein-schränkung. Diese kleinen Leckereien aus diesen kleinen Blechbüchsen mußte ich mir offensichtlich von der Backe schmieren, denn hier gab es für alle Hunde nur Einheitskost, an die man sich schleunigst halten mußte, sonst war sie von der Kon-kurrenz weggefressen. Aber alles andere hier herum machte dieses kleine Manko mehr als wett. Ehrlich! Aber bevor ich so richtig ins Schwärmen und Aus-schwärmen geriet, packte mich Sabine wieder ins Auto und es ging dorthin zurück, wo wir hergekommen waren - in ihre Räucherbude. Das erforderte von mir wieder meine ganze Um-stellungsflexibilität. Und wenn ich sage, daß ich dieses Spielchen noch zweimal mitmachen mußte!

Ja, bis zu dem Tag, an dem Sabine ein größeres Auto mit ihren sämtlichen Sachen solange vollstopfte, bis ihre Bude leer war. Jetzt konnte ich nur noch hoffen, daß die Reise wieder und end-gültig in mein Hundeparadies führen würde. Und tat-sächlich, da tauchte als erstes dieser markante Dorffelsen auf und dann das Haus von Barbara und dem Langen. Ich mußte wie irre vor Freude im Wagen rum-hüpfen. Alle standen zur Begrüßung vor dem Haus - außer Barbara. Später habe ich irgendwie gespürt, daß es sich die Menschen oftmals seltsam schwer im Um-gang miteinander machen. Das muß irgendwie damit zusammen-hängen, daß sie sich für so hoch entwickelt halten, obgleich sie weder richtig riechen noch hören kön-nen, ganz zu schweigen davon, daß ihre Instinkte kläglich unterentwickelt zu sein scheinen. Nein, ein Mensch möchte ich nicht sein. Und hoffentlich werde ich als solcher auch nicht wiedergeboren. Das wäre ein Rückschritt, zumal, wenn man bedenkt, was sich die Menschen so alles an Unverträglichem einfallen lassen.

Also, Sabine zog im Nebenhaus ein, wo die Steintreppen noch steiler waren als im Haupthaus. Irgendwie mußte ich also mit meinen kurzen Beinen meine Technik ändern, mit der ich bisher Hindernisse überwunden hatte. Ich versuchte es also in diesem Haus mit einem kurzen Anhüpfen der Stufen, was sich auch tat-sächlich bewährte. Also, willkommen im Hundeparadies - und dies für vier wundervolle Jahre, von denen ich wahrscheinlich nur gut ein Drittel im oder nahe am Haus ver-bracht habe. Die übrige Zeit war ich unterwegs, anfänglich noch zusammen mit Olga und Kaspar. Aber da beide schon betagt waren, konnte man aus Rücksicht-nahme auf die beiden die Exkursionen nicht sehr weit ausdehnen. Aber fürs erste reichte das auch, denn auch in dieser Gegend gab es vier Himmelsrichtungen.

Olga hatte ich echt lieb. Sie war eine ruhige, sanfte Schönheit. Weil sie so groß war, konnte ich ihr meine Zuneigung nicht so richtig zeigen. Wenn mich die Liebe zu ihr aber dann mal so richtig packte, habe ich mich auf die Hinterbeine gestellt und versucht mit meinen Vorderbeinen ihre endlos lange Nase zu umarmen, was manchmal klappte. Mehr war dann allerdings nicht drin. Doch dann starb Olga. Der Lange war nicht da, was auch gut so war, gibt er sich doch manchmal sehr sentimental. Leider mußte Olga aber noch leiden, bis dann endlich der Tier-arzt kam und sie erlöste. Von uns übrigen Hunden war eigentlich keiner so recht traurig über Olgas Tod, denn sie hatte ein für eine Dogge hohes Alter erreicht und auch ein sehr schönes Leben gehabt. Was die Einstellung der Menschen zum Tod be-trifft, da müssen sie wirklich noch lernen. Als dann der Lange zurückkam, türmte er über Olgas Grab mächtig hohe Steine auf und bemalte sie; echt gigan-tisch das Ganze. Aber das schien er Olga wohl schuldig zu sein und besonders sich selbst.

Kaspar blieb von nun an beim Haus, so daß ich ungestört meine Ausflüge ausdehnen konnte. Das war nachts am aufregendsten, denn alles gab sich da ein Stelldichein, Dachs, Fuchs, Wild-schwein, Marder usw. Man wußte einfach nicht mehr welcher Fährte man folgen sollten. Daß dabei zuhause jedesmal einer in Sorge um mich wach blieb, hab ich gar nicht so recht mitbekom-men, zumal ich deswegen auch nie ausgeschimpft wurde.

Aber eigentlich ziemlich untypisch für einen Terrier, war meine Nase häufiger hoch in der Luft als an der Erde. Denn irgendwie interessierte mich das am meisten, was da hoch über mir in den Baumwipfeln rumflatterte. Und wenngleich ich ansonsten ziem-lich clever war, in diesem Fall konnte ich einfach nicht so recht begreifen, warum diese Welt da oben für mich verschlossen war. Da half auch kein Hochspringen an den Baumstämmen. Und die da oben nahmen mich gar nicht für voll. Insbesondere dieses Elsternpack machte sich mit ihrem Gezeter geradezu lustig über mich. Ach wie sehnlichst hatte ich mir so oft gewünscht fliegen zu kön-nen. Am Rande sei erwähnt, daß sich der Lange dies auch wünscht. Aber er muß noch etwas warten, dann lernt zumindest seine Seele das Fliegen, so wie meine jetzt. Aber auch meine flugfähige Seele kann leider keine Elstern jagen.

Eines Tages, als ich mal wieder mit meinen Sinnen mehr in den Baumkronen als auf der Erde war, passierte das Unglück, und beinahe hätte mein junges Leben ein völlig unrühmliches, weil unentdecktes Ende genommen. Denn nach oben blickend fiel ich auf einer meiner Entdeckungstouren in einen tiefen Brunnen-schacht, der glücklicherweise trocken war. Aber an ein Heraus-kommen war nicht zu denken. Meine Rettung aus dieser mehr als mißlichen Lage verdanke ich letztlich meiner kräftigen Stimme, über die sich immer alle Welt so aufgeregt hat. Ich wurde also entdeckt und die Feuerwehr hat mich rausgeholt. Aber immerhin hatte ich da unten eine sehr lange Nacht um mein Leben gebangt.

Im übrigen unkte Sabine ständig rum, daß die Jack Russel nicht alt werden, irgendeinen unnatürlichen Tod würden sie sich im-mer aussuchen. Und der Lange verunsicherte mich noch zudem mit der Bemerkung, daß es einem Wunder gleich käme, daß ich noch nicht Opfer eines Autos geworden sei. Nun ja, es stimmt schon, ich war ständig auf öffentlichen Straßen unterwegs. Erstens war dies für meine kurzen Beine die bequemste Reise-art, und außerdem bildete die Straße nach Saignon, dem nahen Dorf, die kürzeste Strecke. Und nach Saignon mußte ich täg-lich unbedingt mindestens einmal. Dort war ich bekannt - eben wie ein bunter Hund. Dort bekam ich so manches Leckerli zuge-steckt, dort warteten aber auch meine Kollegen und auch meine Verehrerinnen auf mich. Irgendwie will mir scheinen, führte ich diese vier Jahre ein Doppelleben. Zuhause war ich das gesit-tete Hündchen und unterwegs der Vagabund. Nun gut, insbesondere den Langen konnte ich schon mal gut nerven, indem ich überall mein Trockenfutter verstreute oder schon mal laut bellte, so daß er jäh aus seinen dichterischen Betrachtungen aufge-schreckt wurde. Aber insgesamt benahm ich mich doch viel ge-sitteter als z. B. Kaspar, der bei Tisch immer dreist bettelt oder Sabine ungehobelt auf die Pelle rückt, wenn er sich ver-nachlässigt fühlt und gestreichelt werden will; er ist eben ein weinerlicher Weiberhund. Ich dagegen hielt mich immer etwas zurück und wartete geduldig darauf, daß die Herrschaften meine Bedürfnisse wahrnahmen. Ja, diese meine Art mit „vornehm" zu bezeichnen scheint mir nicht übertrieben. Aller-dings, wenn ich dann raus wollte, dann war es damit vorbei, ich lief so lange hin und her, unterstützt von meinem Grunzen und Hochspringen an der Tür, bis man mir meine meist mehrstündige Freiheit gab. Und diese ereignisreichen Aus-flüge dauerten dann oftmals bis in die tiefe Nacht. Und den Rest der Nacht durfte ich dann entweder in Sabines oder in dem Bett des Langen verbringen. Da das selbstgebaute Bett von dem Langen aller-dings eine Höhe von einem Meter hat, war dieses nur über eine eigens dafür konstruierte Treppe zu erreichen.

Ein wirklich famoses Hundeleben war das für mich. Und wenn morgens zwischen 7.00 und 8.00 Uhr Kaspar im Wohnzimmer bellte, um zum Pinkeln rausgelassen zu werden, da begann auch für mich ein immer aufs Neue erfolgversprechender Tag. Diesen begann ich dann vor dem Frühstück erst einmal mit einer kurzen Inspek-tionstour, um dann noch eine Runde ins warme Bett zurückzuspringen. Um 9 Uhr gab es dann gewöhnlicher-weise Frühstück. Wenn ich davor nochmals kurz unter-wegs war, z. B. oben am Hang zu den dreisten Elstern in den Platanen, so war ich doch jedes Mal pünktlich zum Frühstück zurück, wo dann ein Leberwurstbrot auf Kaspar und mich wartete. Leberwurstbrot - wie mir da jetzt noch hier oben auf meiner Wolke im Geiste das Wasser im Maul zusammenläuft! Wenn das Frühstück vor dem Haus eingenommen wurde, dann sprintete ich schon mal - sozusagen als erste Trainingsläufe - den gegen-überliegenden Hang hoch, weil sich dort wieder so manches in den Bäumen tat. Wenn ich bei diesen Sprints zudem noch meinen Allrad einschaltete, dann hätte ein langbeiniger Hund allenfalls meine Staubfahne hinter mir mitbekommen. Da diese Durch-starts meist von meinem Kriegsgebell begleitet wurden, störte ich allerdings jedes Mal empfindlich die dichterische Ruhe von dem Langen. Doch richtig zornig auf mich habe ich ihn nur zweimal erlebt. Auf dem Grundstück gibt es Smaragdeidechsen, die mich immer durch ihre blitzschnellen Bewegungen aufs äußerste reizten, so daß mein Terrierblut aufwallte. Da habe ich mal zwei dieser Echsen so unsanft gepackt, daß sie in zwei Teile auseinander-gefallen sind. In diesen beiden Augenblicken dachte der Lange doch tatsächlich laut über einen Maulkorb, bzw. ein Maulkörbchen für mich nach, womit er Sabine arg ver-stimmte, war diese doch wie üblich auf meiner Seite. Ernst ge-nommen habe ich den Langen in diesem Moment jedoch nicht so richtig. Einerseits konnte ich mir nicht so richtig vorstellen, daß er tatsächlich dazu fähig gewesen wäre, mir der-art Gewalt anzutun. Und andererseits gab es für mein süßes, kleines Schnäuzchen überhaupt keinen passenden Maulkorb.

Zwei weitere heikle Situationen gab es auf dem Grundstück in all den Jahren. Obwohl ich Willi aus dem Weg ging, hat der mich doch mal gepackt und mir das Fell von den Rippen gezogen. Da-nach war ich durch einen Druckverband stark eingeengt. Das zweite Mal, wo ich mich nur wenig bewegen konnte war Ende Februar dieses Jahres, wo hier achtzig Zentimeter Schnee in praktisch nur einer Nacht fielen. Da wäre selbst Olga mit ihren langen Mannequinbeinen nicht durch-gekommen. Ich hätte mir allenfalls ein Höhlensystem bauen können. Aber nach Saignon wäre ich damit nie gekommen. So fühlte ich mich also lange vier Tage wie eingesperrt.

Rückblickend für mich also eine phantastische Zeit. Welcher Hund hat eine solche schon mit dieser uneingeschränkten Frei-heit. Irgendwie war mir schon klar, daß sie ihren Preis fordern könnte. Obwohl die Menschen hier manchmal wie lebens-müde mir ihren Autos rumfuhren, war es doch bislang gut gegangen, wenn es auch manchmal knapp war. Aber dann ist das irgendwie Unvermeidliche doch passiert. Ich war auf dem Weg zu einer neuen Tour und gerade mal 200 Meter vom Haus entfernt, als ein Auto meinem irdischen Leben ein Ende setzte. Ich empfand dabei keine Schmerzen und verspürte nur einen großen Schock. Ich hatte also meinen Freiheitsdrang mit meinem Leben be-zahlt. Aber war das letztlich diesen Preis nicht wert? Denn wieviele können schon so sorgenfrei ihre Freiheit ausleben, wie ich es konnte. Von oben konnte dann meine Seele zusehen (wer behauptet, daß wir Tiere keine Seele hätten?), wie mein äußer-lich unversehrter kleiner Körper von Jean-Claude, dem jungen starken Provencalen, auf den Sabine schon mal einen län-geren Blick wirft, aufgenommen und auf die Ladepritsche seines Kleinlasters ge-legt wurde, um ihn Sabine zu bringen. Himmel, war das traurig mit anzusehen, wie Sabine erschüttert war und immer noch ist. Sie hat mit dem Langen unter Tränen ein Loch gebuddelt, was ja nicht groß sein mußte, meinen Körper in eine Wolldecke gepackt und mich dann allein zugebuddelt. Dann haben beide einen großen Stein auf mein Grab gehievt. Der Lange hat dann noch gefragt, ob das Grab so schmucklos bleiben sollte, was Sabine bejahte. Anschließend haben dann beide ge-trennt von mir Abschied genommen. Der Lange konnte es sich bei seiner Ab-schiedsrede natürlich nicht verkneifen, daran zu erinnern, daß ich ihn ab und an genervt hatte. Alles in allem habe ich meinen wahren Wert damit erst nach meinem Tod erfahren. So scheint das bei den Menschen üblich zu sein. Beide haben sich dann, jeder für sich allein, zurückgezogen. Der Lange, wie bei für ihn schwie-rigen Situationen üblich, hat sich dann mal wieder Zigeunermusik angehört. Nun tun mir die beiden - be-sonders natürlich Sabine - wegen ihrer Trauer leid. Mein Leben war zwar nicht sehr lang, aber doch lang genug, um mich hundemäßig hun-dertprozentig entfalten zu können. Und paßt der Vergleich hier vielleicht nicht so ganz genau, aber war es nicht Sabine, die den tödlichen Stierkampf vehement im-mer mit dem Hinweis verteidigt hat, daß diese Stiere im Gegensatz zu ihren ande-ren Kollegen vorher ein wundervoll freies Weideleben geführt hätten. Also, warum diese Traurigkeit, hatten wir drei nicht ein schönes Leben miteinander gehabt? Mein Leben hätte etwas länger sein können, aber deswegen kaum intensiver. Und glaubt mir, meiner Freiheit zuliebe, habe ich die damit ver-bundenen Gefahren be-wußt in Kauf genommen. Ich begreife einfach nicht, warum Euch Menschen das Loslassen so schwer fällt. Ehrlich, Ihr müßt noch vieles begreifen lernen. Daß bei-spielsweise dort wo Sonne gleichzeitig auch Schatten ist, und daß, wie gesagt, al-les seinen Preis hat.

Hier endet die Geschichte von dem kleinen Gismo und eigentlich auch wieder nicht, weil er in uns weiterlebt. Und ist es nicht so, daß wir so oft erst dann die wahre Schönheit einer Begegnung oder eines Augenblickes erkennen, wenn es zu spät ist?


La Palud, 10. Mai 2001


  23.8.01Eine schöne Geschichte! (sehr, sehr lang!)   Sabine Kropp  
  23.8.01RE: 1 Ute + Addi  
  23.8.01RE: 2 Sabine Kropp  
  23.8.01RE: 3 Ute Ballhausen  
  26.8.01RE: 4 Verena k.  
  26.8.01RE: 5 Babsy + Paula  


 
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