Hallo ihr drei!
Tja, was die Vielfalt der Meinungen angeht, so werdet Ihr hier vermutlich auch nicht mehr Glück haben als in all den Fachbüchern. Das hat man ja auch beim letzten Thread schon gemerkt.
Allgemein ist Hundeerziehung eben ein Thema, an das viele Leute mit sehr unterschiedlichen Vorstellungen herangehen. Für die einen "muß der Hund funktionieren", d.h. unter allen Umständen das tun was von ihm verlangt# wird. Andere lassen ihre Hunde solange alles tun, wie sie selber sich nicht eingeschränkt fühlen.
Wir bilden unseren Levi zum Rettungshund aus. Diese Art der Ausbildung verlangt ein besonderes Verhältnis zwischen Hund und Hundeführer(in). Es muß eine belastbare Vertrauensbasis bestehen, damit die Suchtätigkeit erfolgreich sein kann.
Diese Hunde müssen sehr gut gehorchen. Sie müssen oft stundenlang im offenen Auto auf einen Einsatz warten. Sie müssen allen Menschen gegenüber freundlich auftreten. Sie dürfen sich während der Suche nicht durch Wild etc. ablenken lassen, müssen aber trotzdem ständig abrufbar und lenkbar sein. Und, was ganz besonders wichtig ist. Sie müssen Selbstvertrauen besitzen, um selbständig zu handeln und zu entscheiden.
Was hat das alles mit eurer Frage zu tun? Nun, ich hoffe ich habe euch klargemacht, wie wir und unsere Rettungshundestaffel Hundeausbildung begreifen. Wir brauchen einen verläßlichen Partner und nicht eine dressierte Nase!
Wir bilden unsere Hunde nach der Methode von Gudrun Feldmann aus. Im Bezug auf Leinen führigkeit könnte das zum Beispiel so aussehen. Grundgedanke bei G. Feldmann ist die wohlwollende Konsequenz. Leinenführigkeit heißt, der Hund soll sich an der Leine führen lassen.
1. Schlußfolgerung: An der Leine hat *immer* der Hundeführer das Kommando. Den Hund laufen zu lassen wohin er will, ist beim Training der Führigkeit ein schwerer Fehler, auch wenn der Hund noch sehr klein ist.
Einige zusätzliche Überlegungen: Ich will, daß mein Hund mich als Rudelführer akzeptiert. Ich will, daß mein Hund mir freudig folgt. Ich will nicht, daß mein Hund *aus Angst vor Strafe* etwas unterläßt, sondern ich will bei ihm ein Bewußtsein für richtig und falsch schaffen. Als Welpe, hat mein Hund in aller Regel eine sehr starke Bindung zu mir. Leinenführigkeit ist nur ein spezielles Problem der Führigkeit. Der Hund als Rudeltier folgt dem Rudelführer *freiwillig*.
Aus diesen losen Gedankenfetzen kann man jetzt ein Bild der Ausbildung zusammenfügen, die letztendlich Leinenführigkeit erreicht. Man sollte so früh wie möglich mit dem Welpen Führigkeit üben. Das gelingt bei kleinen Hunden oft besser ohne als mit Leine. Einfach den Welpen mit Körpersprache und Hörzeichen den Welpen zum Nachlaufen auffordern und Schlangenlinien laufen oder um Hindernisse herumkurven. Dies verbstärkt die ursprüngliche Bindung zwischen Hund und Hundebesitzer und hilft nicht nur bei der Leinenführigkeit. Auch im Wald wird sich der Hund später immer in der Nähe seines Hundeführers aufhalten *wollen*! Ganz wichtig schon bei diesen ersten Übungen. Konsequent sein: Das heisst: wenn der Welpe nicht folgt (weil er abgelenkt oder unkonzentriert ist), sich zügig vom Hund entfernen. Der Welpe wird nach kurzer Zeit folgen, und zwar freudig und rasch. Dann muß er stark gelobt werden. Das Hörzeichen sollte übrigens nicht "Bei Fuß" lauten, ansonsten bekommt man Probleme bei einer etwaigen SV-Prüfung. Bei uns heißt diese Art der Folge "Bei mir", unabhängig ob mit oder ohne Leine.
Die Leine sollte erst eingesetzt werden, wenn die Freifolge relativ gut funktioniert. Die Leine schränkt die Bewegungsfreiheit des Hundes ein, sie erzwingt eine engere Bindung zum Hundeführer. Insofern ist dies schwieriger als die Freifolge (für den Hund). Auch an der Leine gilt nachwievor: Konsequent sein! Geht der Hund nicht sauber an der durchhängenden Leine oder beginnt er sich vom Hundeführer zu entfernen, helfen abrupte Richtungswechsel mit erneutem Hör- und Sichtzeichen. Dies konzentriert den Hund schnell wieder auf seine Aufgabe, dem (Rudel)führer zu folgen. Entfernt sich der Hund rasch, rennt also in die Leine, hilft sofortiges Stehenbleiben. Der Hund wird in die Leine rennen und bremst sich selber. An der Leine zu rucken oder gar den Hund zu sich her zu zerren ist nicht nötig. Natürlich braucht man auch keine Wurfkette um den Hund wieder auf sich zu konzentrieren. Der Hund soll uns ja folgen weil er will, nicht weil er muß. Der Hund wird ganz von selber den Zug von der Leine nehmen, danach geht es mit Lob Sicht- und Hörzeichen *in anderer Richtung* weiter. Dadurch begreift der Hund, daß die Richtung des Hundeführers entscheidend ist, und nicht die in die er will.
Usw. usw, bis der Hund zuverlässig an der losen Leine geht. Dies kann bei einem Hovawart-Rüden allerdings etwas länger dauern, die sind halt dickköpfig :-))
Die obige Beschreibung ersetzt natürlich keine Welpengruppe und ist auch kein Patentrezept. Hundeausbildung ist eine sehr individuelle Angelegenheit. Insofern kann ich euch nur raten: Sucht euch eine Welpengruppe, die nach dieser Methode ausbildet. Die Ausbildung dauert sicherlich länger als auf einem SV-Platz, und ist manchmal bei einem sturen Hund echt nervenaufreibend. Der Lohn ist ein Hund der mir freudig folgt, auch im hohen Alter noch. Mein Hund lernt durch Lob das Richtige zu tun, er vermeidet nicht aus Angst vor Strafe das Falsche. Man benötigt kein Stachelhalsband (wir empfehlen Geschirre, wegen der geringeren Kehlkopfbelastung), kein Geschrei, kein Teletakt, keine Schläge, sondern nur viel Liebe und viel Geduld. (Gott, klingt das kitschig, aber es stimmt)
Ihr werdet vermutlich von einer Reihe von Leuten noch Tips bekommen. Lest euch alles gründlich durch, denkt sorgfältig darüber nach und entscheidet euch dann für eine Methode, von der ihr denkt, daß sie für euch *und Alea* geeignet ist.
Wie auch immer ihr euch entscheidet: Fangt jetzt an, wo die Bindung des Welpen an euch noch sehr stark ist. Das sichert euch ein Hundeleben lang eure Stellung als Rudewlführer, wenn ihr sie nicht leichtsinnig wieder opfert.
Viel Erfolg wünscht Oliver
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