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20.07.00 -- Sangus

RE: Bonn: "Kampfhund" hat 3 jährigem Kind die Unterlippe abgebissen














Hallo Regina,

dankenswerterweise finden sich auch unter den Hundebesitzern Menschen wie Du, die bei aller Zuneigung zu ihren Haustieren den Blick für die andere Seite nicht verloren haben.

Ich bin, offen gestanden, etwas erschrocken über die Selbstverständlichkeit, in der hier mancher bzw. manche die Verantwortung für einen Beißunfall an das Bissopfer delegiert. Vor einigen Wochen habe ich in diesem Forum einen Diskussionsfaden mit einem zugegebenermaßen ziemlich polemischen Beitrag unter der Überschrift 'Alle Macht den Hunden' eröffnet, in dem ich die gesetzliche Vorschrift zur Anwendung von Ganzkörperschutzanzügen bei Kindern gefordert habe - und ich spürte beim Studium der Beiträge dieses Fadens hier dann und wann das Bedürfnis, dieses Posting aus der Versenkung zu kramen und hier nochmal zu hinterlegen.

Eines vorweg: Wie anderen Beiträgen in diesem Forum zu entnehmen ist, führt die Abneigung der Bevölkerung gegen Hunde offenkundig zu Akten der Selbstjustiz, die nun von keinem normal denkenden Menschen mehr gebilligt werden können. Giftköder und ver'wurstete' Glasscherben sind selbstverständlich auch in meinen Augen (als quasi personifizierte 'andere Meinung' in diesem Forum) abscheuliche Entgleisungen, die überdies weder legal noch in irgendeiner Weise zweckdienlich sind.

Bei allem Respekt für die derzeit sicher problematische Situtation muß sich der eine oder die andere nun aber doch die Frage gefallen lassen, ob er bzw. sie nicht vielleicht angesichts des hier in großer Übereinstimmung gesungenen Lamentos über das Leid von Hund und Halter ein wenig den Bezug zur Realität verliert. Es ist für den Außenstehenden einigermaßen beunruhigend, wenn dieselben Leute, die unermüdlich die fehlende Kompetenz aller Nicht-Hundefachleute bei der Beurteilung von Aufzucht und Hege der von ihnen so geschätzten Haustiere bemängeln, sich urplötzlich als geradezu weltfremd 'outen', wenn es um die Beurteilung *menschlichen* (und hier insbesondere *kindlichen*) Verhaltens geht. Das Spektrum der Ahnungslosigkeit reicht von der Forderung nach Allgegenwärtigkeit der Aufsichtsperson (Eltern) über die maßlose Überschätzung der Verantwortungsfähigkeit einer 8-9-Jährigen und gipfelt in der - offen gestanden geradezu dämlichen ('tschuldigung, Tanja) - Frage, ob denn Kinder ihre Lippen durch Zäune stecken sollten.

Hinter diesen bizarren Äußerungen verbirgt sich nach meiner Einschätzung neben naiver Ahnungslosigkeit auch eine Wertvorstellung seitens einiger Hundefreunde, die ich für bedenklich halte und die ich in meinem ersten Beitrag ('Alle Macht...') als Ziel meiner Kritik im Auge hatte. Ich habe den Eindruck, als würden Hunden bisweilen dieselben Rechte zugestanden wie den Menschen - teilweise verschleiert durch nebulöse Theorien über den Verlust archaischer, metaphysisch-übernatürlicher Verbindungen zwischen Mensch und Natur (sprich: Hund), teilweise ganz offensichtlich durch die - von mir schon mehrfach beklagten - Assoziationen zur Judenverfolgung des 3. Reiches.
Nun kann man mit Recht auch über die moralischen Implikationen streiten, die die Existenz des Menschen für den Rest der belebten Natur mit sich bringt. In dem hier derzeit zur Debatte stehenden Kontext geht es nun allerdings nicht um die Begegnung zwischen Mensch und Tier im allgemeinen. Es geht darum, daß a) in der menschlichen Gemeinschaft (und nicht irgendwo in der Wildnis) b) vom Menschen geschaffene *Haus*tiere eine potentielle Gefahr für Leib und Leben eben der Wesen werden, denen sie (die Hunde) ihre Existenz verdanken und die diese demzufolge auch zu verantworten haben. Vor diesem Hintergrund kann es nach meiner Einschätzung eigentlich keine Zweifel darüber geben, wer sich im Falle eines massiven Interessenkonflikts an wen anzupassen hat. Das Maß der Dinge für die Regelung *dieser speziellen* Koexistenz ist und bleibt der Mensch - Punkt. Aus diesem Grund kann das durch Unwissenheit unangemessene Verhalten eines Kindes oder Erwachsenen gegenüber einem Hund allenfalls als Erklärung, nicht jedoch als Entschuldigung für einen Beiß'unfall' dienen. Hund und Halter müssen sich an den Menschen anpassen - und nicht umgekehrt...

Sangus
Thema: Bonn: "Kampfhund" hat 3 jährigem Kind die Unterlippe abgebissen


 
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