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23.02.99 -- Roswitha_Splashy

Futterbelohnung: die Überlebensstrategie














Hallo Leute

Mal eine andere Sichtweise zur "Bestechung" von Hunden durch Futtter

Bei Futter (Guetzli = Leckerle) fürs Gehorchen habe ich so ein ungutes Gefühl. Ich denke z.B. Bestechung; ohne Futter macht es Bobby dann nicht; ich will, dass er mir gehorcht und nicht dem Guetzli nachrennt; was passiert, wenn ich keines dabei habe?

Wildhund: Futter ist überlebensnotwendig, ohne Anstrengung gibt es nicht genug. Wenn ein Wildhund satt ist, tut er nichts mehr für Futter. Das Kaninchen kann locker weiterhoppeln. Das ist biologisch sinnvoll, ohne diesen Antrieb, der meist durch Hunger ausgelöst wird und weniger durch Bewegungen der Beute-tiere, wären Beutejäger nicht überlebens-fähig. Welches Kaninchen rennt denn einem Wildhund schon vor der Nase durch? Viel öfter muss er zuerst eine Spur suchen oder eins aufscheuchen.

Einspruch: Mein Hund frisst zuhause Riesenmengen und hetzt dann trotzdem eine Katze. Also kann diese Behauptung nicht stimmen. Nein? Ich lese vielleicht doch lieber weiter.

Mensch-Hund: Hier hast du einen Napf mit Futter. Du musst dich nicht anstren-gen.

Hund: Ich habe viel überschüssige Energie, weil ich mich fürs Fressen nicht anstrengen musste. Diese Energie muss ich loswerden. Aber wie? Da ist ja eine Katze, ein Jogger, ein Möbelstück, ein Kumpel zum spielen. Mein Mensch? Der ist sehr nett und lieb, wenn ich Zeit für ihn habe. Aber sterbenslangweilig. Darum kümmere ich mich um ihn, wenn es mir langweilig wird. Vielleicht rückt er noch ein Guetzli oder Spielzeug raus? Was er auch nicht zu kapieren scheint, ist, dass ich nach Tauziehen, Ball nachrennen etc. noch voll drauf bin und danach gerne mal einem Jogger nachhetze, weil mir immer noch so kribbelig ist (Menschen nennen das Adrenalin abbauen). Gäbe mir mein Mensch nach dem Weg-stecken des Spielzeugs noch in Ruhe 1-3 Futterbrocken, wäre ich wieder viel entspannter und könnte locker weiterspazieren.

Der Wildhund im Hund: Das Bewegnisbedürfnis von Hunden ist ursprünglich der Beginn des Jagens. Ungerichtetes Suchverhalten oder Appetenzverhalten nennen es die Fachleute. Wildhunde streifen ziellos durch die Gegend, um Wild-spuren aufzustöbern und nicht, weil es ihnen langweilig ist. Langeweile in dieser Form empfinden unsere Hunde auf beschäftigungslosen Spaziergängen und machen sich schnell einmal unliebsam selbständig. Dieselbe Langeweile macht sich auch bemerkbar, wenn meine Couch feinsäuberlich zerlegt wird. Dies kann durchaus nach längeren Spaziergängen auftreten, denn dieses Appetenzver-halten kann stundenlang aufrechterhalten werden ohne dass ein Hund deswe-gen "zufrieden" müde wird. (Ausnahme ist die Zerstörung durch Verlassenheits-angst, diese beginnt aber kurze Zeit nach Verlassen der Wohnung.)

DAS BEDÜRFNIS NACH JAGEN besteht weiterhin, da biologisch gesehen folgen-des passieren müsste: suchen, aufspüren (riechen, sehen), nachrennen, einfangen, niederreissen, töten, auseinanderbrechen, wegschleppen oder direkt zerkleinern und fressen. Kleine Beutetiere verbrauchen weniger dieser Energie und deshalb (auch sehr sinnvoll) wird weitergejagt.

Führe ich also den gemeinsamen Spaziergang seinem ursprünglichen Zweck zu, indem ich das natürliche Beutefangen imitiere, wird jeder Hund ausgeglichener und angenehmer. Hunde mit starker jagdlicher Ambition (verspielte Hunde) brauchen dazu Spielzeug und Futter. Gemächlichere Exemplare haben Spass daran, das Futter direkt zu erjagen (Guetzli werfen). Natürlich kann ich dies in die hundesportliche Ausbildung einbinden (darum spricht man immer mehr von Moti-vation in Form von Beutespielen oder Futterbelohnungen im Hundesport) oder einfach Beschäftigungsspiele mit meinem Hund erfinden. Am besten solche, die uns beiden Spass machen. Bei schlechtem Wetter lassen sich Reiss- oder Futtersuchspiele (geht trotz der Übung Fressbares liegen lassen, da hier Dog auf meine Aufforderung hin sucht) locker zuhause abhalten.

Futter im Napf? Verbraucht keine Jagdenergie und ergibt biologisch keinen Sinn. Hunde sind eben auch ein Stück Natur. So wie sich kupierte Ohren nicht vererben, vererbt sich das Wissen um einen vollen Napf auch nicht. Hundekörper wissen, dass man jagen muss, um zu überleben.

Die ausschliessliche Fütterung aus dem Napf kann das Sättigungsgefühl wie in der Natur vorgesehen, nicht erzeugen. Der natürliche Kreislauf des Futterer-werbs ist nicht eingehalten. Durch Zuchtauslese wurden bei verschiedensten Hunden Bestandteile des Jagdverhaltens verstärkt, andere Teile werden nicht in Erscheinung treten. Bekannte Vertreter solcher "Instinktausfälle" sind Vorsteh-hunde, Hütehunde. Bei anderen Hunden wiederum wurde das Bedürfnis zu jagen stark reduziert (Hofhunde, Hirtenhunde). Den vorhandenen Anteil des Jagdver-haltens in hundefreundliche Bahnen zu lenken, ist trotzdem sehr zu empfehlen.

Situation im menschlichen Empfinden: Futter im Napf ist wie eine Rente für Gesunde. Am Anfang ist es "super, viel freie Zeit" und nach einer Weile kriege ich das ungute Gefühl, ich müsse doch noch etwas tun. Nur rumsitzen ist tödlich langweilig. Freizeitaktivitäten sind zwar nett, aber eben: das gute Gefühl, das durch Leistung erbringen entsteht, geben sie mir nicht. Und so fühlen sich unsere Hunde ein bisschen wie Menschen, die nicht mehr arbeiten dürfen oder nicht das, was ihnen "Befriedigung" verschafft.

Roswitha

Autor: naturnah@bluewin.ch
  23.2.99Futterbelohnung: die Überlebensstrategie     
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