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12.12.01 -- Heike D.

RE: Dominanz als Allheilmittel/ war Kontaktliegen?














nur mal so zum Nachdenken :-)

Dominanz als Allheilmittel ?
(Auszug aus "Hunde sind anders", Jean Donaldson,
erschienen bei Franck-Kosmos Verlags-GmbH + Co., Stuttgart)


"Das andere Modell, das als Quasi-Rechtfertigung für den Einsatz aversiver Mittel in der Ausbildung vorgetragen wird, ist die Rudeltheorie.Seit der Entdeckung der linearen Hierarchie bei Wölfen spinnen die Hundeleute herum und versuchen, jedes nur vorstellbare Verhalten des Hundes und jedwede Interaktion zwischen Mensch und Hund mit dem Begriff "Dominanz" zu erklären. Daran haben wir uns wirklich
festgeklammert. Hunde verhalten sich falsch oder sind ungehorsam, weil ihnen nicht gezeigt wurde, wer der Boss ist. In unserem Rudel müssen wir das Alphatier sein.
Abgesehen davon, dass das auf eine weitere Rechtfertigung für Trainingsmethoden mit Strafanwendung hinausläuft - der Hund wird wahrscheinlich die ganze Nacht wach bleiben und sich einen neuen Coup ausdenken, es ist also besser, ihn mit viel Zwang an seinem Ort festzuhalten -, ist die Dominanz bei der Erklärung des Verhaltens von Hunden zu einer Art Allheilmittel geworden. Durch diese einfache
Erklärung muss nun der Besitzer unzählig viele andere Themen, wie zum Beispiel die Lerntheorie, nicht mehr büffeln. Die Vorstellung von Hunden, die vor ihren
Besitzern durch die Tür rennen oder an der Leine ziehen, um Dominanz über sie auszuüben, ist zu dumm, als dass man sie in Worte fassen könnte. Bei einigen armen Menschen ist alles so verdreht, dass sie unterwürfiges Verhalten wie Hochspringen oder Pföteln als Dominanzspiel ansehen, das eines Trainings unter Einsatz aversiver Mittel bedarf. Wie schon erwähnt, ist das Ding mit der Dominanz so, als ob man
sich auf eine Schlussfolgerung stürzte, ohne zuvor offensichtlichere Erklärungen ausgelotet zu haben. Hunde zerkauen Möbel, denn wofür sonst könnten Möbel gut
sein? Sie gehorchen nicht, weil sie keine Ahnung haben, was der Befehl bedeutet, weil sie nicht richtig motiviert sind oder weil etwas anderes in dem Moment gerade wichtiger ist, wie zum Beispiel ein davonrennendes Eichhörnchen. Die Rangordnung kommt ihnen dabei nicht in den Sinn.

So ist zwischen einem unterwürfigen Hund und einem
Hund unter aversiver Kontrolle zu unterscheiden. Setzen
Sie bei einem Hund nach dem dem "Komm"-Befehl
permanent den Elektroschock ein und stellen diesen ab,
sobald der Hund zu Ihnen gekommen ist, und der Hund
versteht, dass er den Schock dadurch vermeiden kann,
dass er auf Befehl zu Ihnen kommt, so haben Sie ihn unter
aversiver Kontrolle. Das gleiche können Sie etwas
plumper erreichen, indem Sie, wie viele andere auch ein
Zughalsband oder eine zusammengerollte Zeitung nehmen.
Das hat jedoch nichts mit Dominanz zu tun. Welchen
Einfluss es auf die Rangordnung hat, ist noch nicht geklärt.

Weiß der Hund, dass er eine Chance von eins zu fünf für eine Belohnung hat, wenn er kommt, und dass er, wenn er sofort kommt, sehr wahrscheinlich zu dem zurückkehren kann, was er gerade tut, aber einige Minuten Freiheit verliert, wenn er
nicht gehorcht, so wird er ebenfalls sicher kommen. Das bedeutet Kontrolle ohne Einsatz aversiver Mittel. Wichtig ist nicht, welche Art der Motivation, des Vermeidens oder der positiven Bestärkung, wir einsetzen, sondern dass es beinahe keinen Zusammenhang mit dem ganzen Fragenkomplex der Dominanz gibt.

Die meisten Menschen, die sagen, sie hätten ein Dominanzproblem, meinen gewöhnlich eines der beiden folgenden Dinge: Sie haben ein Problem mit dem Befolgen eines Befehles, oder ihr Hund beißt oder bedroht sie. Möglich, dass sich der Hund seinem Besitzer gegenüber dominant fühlt. Der Hund könnte sich auch als den Zweituntersten in der Rangfolge allem organischen Lebens auf dem Planeten ansehen und dennoch nicht ausreichend motiviert sein, Befehlen zu gehorchen bzw. trotzdem Menschen beißen. Ebenso könnten sie einen Hund haben, der nach seinem Selbstbild sehr dominant ist und dennoch ein erstklassig ausgebildeter Hund, der niemals beißt oder irgendjemanden beißen will.

Handelt es sich um ein Problem des Gehorsams, so muss der Hund unter Anwendung - Sie wissen es schon - der operanten Konditionierung entsprechend trainiert werden. Dies ist der direkte Zugang zur Veränderung eines Verhaltens. Mit
Konzepten der Dominanz erklären zu wollen, dass ein Hund nicht kommen will, wenn er dafür nicht entsprechend konditioniert und das verhalten bei konkurrierender Motivation unter Beweis gestellt wurde, bedeutet, unnötig im
Trüben zu fischen. Sie können ihn auf den Rücken werfen, soviel Sie wollen, er wird solange nicht kommen, bis er ausgebildet und das Verhalten etabliert wurde. Sie können ihn auf den Rücken werfen und die ganze Nacht so festhalten (und immer vor ihm durch die Tür gehen), und er wird Sie weiterhin beißen, wenn Sie Bedingungen stellen, die ihn über seine Beißschwelle hinaustreiben.

Diese zehn Verhaltensweisen werden am häufigsten auf ein Dominanzproblem
zurückgeführt:

Beißen/Aggression, insbesondere gegenüber Familienmitgliedern,

an der Leine ziehen,

Unsauberkeit, insbesondere im Bett, auf Schuhen etc.,
das Zerkauen von für den Besitzer wertvollen Gegenständen,

Hochspringen zu Begrüßung und Pföteln,

auf Rufen nicht kommen,

am Tisch betteln,

zuerst durch die Tür gehen,

auf verbotenen Möbelstücken schlafen,

Stehlen von Futter/Wäschestücken.

Mein Lieblingsmythos ist das Ding mit dem Zuerst-durch-die-Tür-gehen.Welcher Wirrkopf hat die Vorstellung aufgebracht, ein Hund verstünde, es bedeute
Dominanz oder er übe eine solche aus, wenn er vor seinem Besitzer durch die Eingangstür stürzt? Wenn Hunde durch Türen stürzen, versuchen sie die Distanz zwischen sich und dem, was draußen ist, so schnell wie möglich zu überwinden,
weil sie aufgeregt sind, weil sie Hunde sind, weil sie niemals von einem Grund gehört haben, warum sie dies nicht tun sollten. Wann immer man verzweifelt herausfinden will, "warumwarumwarum" ein Hund etwas tut, sollte man erst einmal
folgende Gründe ausschließen, anstatt sich von einer so dummen Theorie wie der "Rudeltheorie" überwältigen zu lassen: weil sein Verhalten durch irgendetwas in der
Umgebung bestärkt wird oder weil vorher noch niemand auf die Idee gekommen ist, es anders zu verlangen (d.h. warum nicht).

Die ganze Idee von der Dominanz ist so verbreitet, dass ganze Hundeschulen auf der Prämisse gründen, wenn man nur entsprechend Dominanz gegenüber seinem Hund ausübe, ergebe sich alles andere von selbst. Dies ist eine gefährliche Sache. Es bedeutet nicht nur, dass Hunde in unglaublichem Ausmaß misshandelt werden, wodurch sich wahrscheinlich Probleme wie Nicht-Kommen und Beißen noch weiter verstärken, sondern auch, dass solche realen Dinge wie eine gut
durchgeführte Konditionierung und ein adäquates Umfeld gar nicht zur Sprache kommen. Dadurch ist der Hund weiterhin ungehorsam, und das dumme Dominanzprogramm besteht weiterhin.

Damit ist nicht gesagt, Hunde gehören nicht zu den Gattungen, die Hierarchien bilden. Natürlich tun sie es. Aber sie können zum Beispiel auch bei Nacht gut sehen
und dennoch wird niemand eine Netzhautoperation vorschlagen, um das Gehorsamsproblem oder das Beißen anzugehen. Die Rudeltheorie ist ganz einfach nicht das Modell, mit dem man am besten Probleme wie Ungehorsam, Fehlverhalten oder Aggression behandelt. Menschen, die in der Ausbildung
aversive Mittel zur Hilfe nehmen und ein Dominanzmodell im Kopf haben, würden bessere Ergebnisse erzielen, wenn sie den Hund weniger strapazierten, d.h., wenn sie aversive Mittel mit etwas gründlicherem Verständnis der Lerntheorie einsetzten oder, besser noch, auf solche Mittel gänzlich verzichteten und sich anderer Hilfsmittel - aus der Werkzeugkiste der Lerntheorie - bedienten. Das
Dominanzkonzept ist schlicht und einfach unnötig.

Wie sind Hunde denn nun Wirklich? Hier kommen die zehn wichtigsten Dinge:

1.Für sie ist alles Kauspielzeug (sie haben keine Vorstellung davon, was Kunstwerke, Erinnerungsgeschenke oder Symbole sind).

2.Sie kennen keine Moral (kein richtig/falsch, nur sicher/gefährlich).

3.Sie sind an sich selbst interessiert (sie wollen nicht gefallen).

4.Sie besitzen ein relativ kleines Gehirn (mit relativ wenigen Windungen, das nur durch operante und klassische Konditionierung lernt).

5.Sie sind Raubtiere (sie suchen, hetzen, fangen und halten, zerlegen, zerkauen alles, was ihnen vor die Augen kommt).

6.Sie sind sehr sozial (sie entwickeln eine starke Bindung und können nicht gut mit Trennungen umgehen).

7.Sie haben eine zeitlich begrenzte Sozialisierungsphase (sie attackieren oder fliehen vor allem, worauf sie nicht sozialisiert wurden).

8.Sie sind begeisterte Aasfresser (wenn es etwas Essbares ist, friss es, und zwar jetzt).

9.Sie lösen Konflikte durch ritualisierte Aggression (sie schreiben niemals Leserbriefe, ziehen niemals vor Gericht).

10.Sie besitzen einen gut entwickelten Geruchssinn."



Thema: Wahrnehmung des Hundes, oder: Warum ich wohl nie ND machen werde?


 
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