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On Tue, 15 Jun 1999 09:47:05 GMT, markus.engelberg@gmx.de (Markus
Engelberg) wrote:
Hallo Markus,
Ralfs Hund wurde vor wenigen Monaten überfahren und er litt nicht nur
unter der Trauer, sondern auch unter akuten 'Hundeentzugserscheinungen'.
Am ersten Tag, nachdem Jenny zu uns kam (sie wurde mitten im Nirgendwo,
neben einem Müllhaufen, mit einem Schweinekopf als Freßration,
ausgesetzt), zeigte ich sie ihm und erzählte, unter welchen Umständen
ich sie aufnahm. Jenny stand neben mir, ein sichtbar verstörtes und
verängstigtes, bis auf die Knochen verhungertes Hundetier.
Am liebsten hätte Ralf sie sofort genommen, aber seine Frau kreischte
nur irgendwas über 'Kampfhunde' und schloß sich in ihrem Schlafzimmer
ein. Wir wollten ihr dann einfach Zeit geben zu sehen, wie gut Ralf mit
Jenny klarkommt und wie lieb sie doch ist. Das hat aber nicht geklappt,
die Frau will einfach nicht.
Und um meine Hunde kümmere ich mich schon selber, dafür habe ich sie ja.
Ja. Das genügt ihnen aber auch. Sie haben allerdings jederzeit die
Möglichkeit, in den großen Garten zu gehen.
Das ist mir bewußt. Nur ist es mir unmöglich, _einem_ Hund Erziehung
angedeien zu lassen, während ich mit _dreien_ unterwegs bin. Und wer
einmal mit einem wie wild zerrenden, kräftigen Dobi an der Leine durch
den Wald geschleift wurde, überlegt sich sehr schnell, wie man die Sache
etwas verbessern kann.
Selbstverständlich bekommt Jenny nun noch 'Einzelunterricht'.
Ausgebüxt ist sie auch, _nachdem_ sie den 30-Kilometerlauf hatte. Und im
Gegenteil: wie ich schrieb, wurde sie im Gegenteil _ruhiger_ nachdem der
Nachbar im Urlaub war. Genau das wunderte mich ja. Hast du dafür eine
Erklärung?
Tja, das wären natürlich Möglichkeiten gewesen. Das _scheint_ aber nicht
der Fall zu sein.
Wenn wir den Garten nicht hätten, würden wir auch mehrere kleinere
Runden machen, damit sie genügend Gelegenheiten hätten, sich zu lösen.
Nachdem, was ich im Laufe der Jahre erfahren habe, scheinen aber die
meisten Leute (mit Garten) tatsächlich nur einmal zu gehen.
Stimmt. Zur Zeit gehe ich einmal mit dem Dreierrudel und einmal die
'Seniorenrunde' mit der ganz alten Hündin.
Ich bin jeden Tag weit in den Feldern und im Wald. Wo immer es möglich
ist, werden die Hunde abgeleint. Ballspiele (die Jenny liebt) und
Futterrollspiele werden genutzt, um nebenbei ein paar Kommandos zu
trainieren und sie vermehrt rennen zu lassen.
Außerdem gehe ich ab und an mit Jenny einkaufen, um sie an andere
Menschen und Hunde an der Leine zu gewöhnen.
So verängstigt, wie Jenny war und teilweise noch ist, vermuten wir, daß
sie völlig abgeschieden in irgendeinem Hinterhof gehalten wurde. Sie
zuckt sofort zurück oder fängt an zu schnappen, wenn fremde Leute
versuchen, sie mit beiden Händen zu streicheln oder ihr ins Gesicht zu
gucken. Es hat drei Wochen gedauert, bis ich sie in den Arm nehmen
durfte.
Achso, und Radfahren wage ich schlichtweg nicht. Ich bin ein völlig
unsportlicher Mensch (Churchill!) und es würde uns beiden wenig Freude
machen.
Nein nein, da habe ich mich anscheinend mißverständlich ausgedrückt.
Jenny muß aus einer absolut lieblosen, isolierten Haltung kommen. Nun
ist sie hier bei uns, in der Familie mit anderen Hunden und fühlt sich
anscheinend wirklich wohl und geliebt. Sie hat ein unglaubliches
Vertrauen zu uns gefaßt und fügt sich hervorragend ein.
Ich hatte und habe nur Bedenken, ob sie genügend gefordert wird oder ob
ihr wirklich was fehlt.
Oder andersherum ausgedrückt: ist es angesichts ihrer Vorgeschichte und
ihres jetzigen Lebens (beschaulich, aber voller Liebe auf beiden Seiten)
vertretbar, auf ausgedehnte Radtouren und Arbeit auf dem Hundeplatz zu
verzichten?
Ich liebe diesen Köter und bin durchaus bereit, dazuzulernen und viel
Zeit und Geduld zu investieren. Andererseits kenne ich meine eigenen
Grenzen. Weil ich _weiß_, daß mir jeglicher sportlicher Ehrgeiz fehlt,
waren meine erste Wahl ja auch Neufundländer, und nicht sowas
dynamisches wie Dobermänner. Nur hat der liebe Gott gemeint, mir genau
_so_ ein verlassenes, verängstigtes Hundetier ins Haus bringen zu
müssen.
Im Tierheim wäre _dieser_ Hund vor die Hunde gegangen, hätte sich mit
ziemlicher Sicherheit zu einem (aus Angst) bissigen, aggressiven Tier
gewandelt.
In einem Video über Dobermänner wurde zwar öfter auf den enormen
Bewegungsdrang dieser Hunde hingewiesen - zum Schluß aber zeigte man
einen Mann im Rollstuhl, der glücklich und zufrieden mit seinem Dobi
zusammenlebte. Die beiden werden doch mit Sicherheit auch nicht jeden
Tag etliche Stunden lang in einem Mordstempo durch Feld und Flur jagen?!
Viele Grüße
Bella:)
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