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15.03.00 --
Peter Walker
Re: Kastration mit 5 Monaten?!
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Nun, wie schon kurz angesprochen, würde ich von der Kastration (meine eigene,
persönliche und natürlich völlig unmaßgebliche Meinung) eines Rüden absehen. Habe vor
ca. 3 Jahren selbst darüber nachgedacht, meinen Foxterrierrüden 'Bully' kastrieren zu
lassen. Dies deshalb, weil mich der Kerl auf die Palme gebracht hat bzw. immer noch
bringt. Wenn der Bursche läufige Hündinnen riecht, ist mit ihm absolut nichts mehr
anzufangen. Habe aber damals zufälligerweise eine Anfrage einer Dame in einer
Hundzeitung gelesen (Mein Hund, Ausgabe 12/97) und natürlich den Expertenrat dazu (von
einem Tierarzt). Danach war ich ausserordentlich froh, dass ich meinen Hund nicht
kastrieren liess.Wem's interessiert, hier ein Auszug aus der Anfrage bzw. der Anwort:
Frage: 'Ich habe einen 3jährigen Beaglerüden, der von Geburt an in einem Versuchslabor
war (ca. 1 1/2 Jahre). Danach wurde er kurz vermittelt und landete im Tierheim, aus
welchem ich ihn nun habe. Es ist ein toller Hund, nur hat er eben verschiedene
Probleme. Er ist sehr mißtrauisch andern Leuten gegenüber, sehr geräuschempflindlich
usw. Sein größtes Problem ist, dass er im Moment ziemlich aggressiv auf unkastrierte
Rüden reagiert. Benji, mein Hund, ist seit ca. zehn Wochen kastriert. Wird aus meinem
Hund überhaupt mal ein normaler Hund? (Anfrage wurde etwas von mir gekürzt, P.W.).
Anwort des Tierarztes auf diese Anfrage: Zunächst danke ich Ihnen, dass sie einen ganz
armen Hund aufgenommen haben und versuchen, ihm zu vermitteln, dass Menschen auch
menschlich sein können. Das arme Kerlchen hat seine ganze Kindheit und
Jugendzeituneter sterilen Bedingungen in Zwingerhaltung verbracht. Häufig werden die
späteren Veruchsobjekte sogar ausschließlich in den großen Versuchstierzuchten in
Innenräumen gehalten. An geeigneter Nahrung und Sauberhaltung fehlt es ihnen dabei
nicht, weil das Ziel ja ist, gesunde, belastbare Versuchstiere zu erhalten. In der
Regel sind auch die Pfleger der Versuchstiere auf ihre Art tierfreundlich und bemühen
sich um die Tiere. Bei einem so friedfertigen Hund wie dem Beagle reichen die wenigen
Menschenkontakte, um ihn zu einem schicksalsergebenen idealen Versuchstier zu machen,
für das der Beagle auch durch seine mittlere Größe und sein plegeleichtes Fell leider
geeignet erscheint.
Ihr Beagle hat in seiner Jugend keinen Käfer gesehen, keinen Hasen, kein Auto, keine
Katze, keinen fremden Hund, er hat den Duft von Erde und Blättern nicht in seine
kleine Nase bekommen und Sonne, Regen und Wind nicht auf seinen Fell gespürt .....er
hat immer nur erlebt, dass er für mehr oder weniger schmerzhafte und seelische
qualvolle Aktionen aus seinem Gefängnis geholt wurde. Es erscheint wie ein Wunder,
dass dieses Kerlchen das Vertrauen an uns Menschen nicht völlig verloren hat, und es
ist nur zu verständlich, dass der Kleine immer wieder Ängste vor Unbekanntem bekommt
und zum Beispiel von fremden Männern Schlimmes erwarten.
Er hat nach der Laborzeit auch noch die bittere Erfahrung machen müssen, dass die
Menschen, denen er sich nach der Befreiung angeschlossen hat, ihn nicht mehr haben
wollten - das ist für ein Hundeleben bedrückend viel Leid! Sie haben ihn jetzt erst
ein gutes halbes Jahr, und ich finde es klappt erstaunlich viel! Ich weiss nicht, aus
welchen Gründen Sie ihn kastrieren ließen. Bedenken Sie bitte, dass so ein Eingriff
für einen Rüden ein einschneidendes Ereignis ist. Einen Teil seines ohnehin sehr
geringen Selbstwertgefühls hat er aus dem Wirken seiner Sexualhormone bezogen. Nun
sind diese Hormone nach und nach aus seinem Körper verschwunden. Wenn er
entgegenkommende Rüden anknurrt oder auch mal schnappt, dann zeigt sich darin nur
seine Unsicherheit. Er wird sich in den nächsten Monaten mit seiner veränderten
Wirkung auf Rüden und Hündinnen arragnieren und gelassener werden. Ich vergesse nie,
mit welchem panikartigen Satz unser Eurasier Basko zurücksprang, nachdem er in
Imponierhaltung auf einen Bobtail-Schäferrüden zugegangen war, mit dem er über Jahe
friedlich, aber brummig umgegangen war, als er plötzlich roch, dass der gar nicht mehr
der Rüde war, mit dem er sich manchmal gern gerauft hätte. Der war nämlich wenige
Wochen zuvor kastriert worden und roch nun ganz anders. Inzwischen ist von dem Respekt
und der schwelenden Rivalität zwischen den beiden nichts übrig geblieben. Unser Basko
findet ihn total uniteressant, andere Rüden nutzen ihn schon mal um aufzureiten.......
So ändert sich das Ansehen eines Rüden in der Hundewelt durch die Ausschaltung der
Hormone und durch das Verschwinden geschlechtsspezifischer Düfte. Nehmen sie deshalb
bitte das knurrige Verhalten Ihres Hundes nicht weiter tragisch. Er ist keine Beisser
und wird auch keiner werden. Lassen sie ihm Zeit, sich mit seiner veränderten
Hormonlage zu arrangieren. Die Rivalität zwischen Nachbarshunden ist normal. Unser
Basko würde sich auch am liebsten auf auf dei Rüden der Nachbarschaft stürzen. Trifft
er sie dagegen im Freilaufgelände, hält er sich zurück, sympathisch findet er sie dann
auch nicht, aber ausser Geknurre und Umstaksen passiert zum Glück nichts. Man muss
auch akzeptieren, dass unsere Hunde den einen oder anderen Mithund einfach nicht
ausstehen können. Das soll ja auch bei Menschen vorkommen. Ich wünsche Ihnen mit Ihrem
Beagle alles Gute. Ich bin froh, dass er in seinem Hundeleben noch liebevolle
Zuwendung, Verständnis und Rücksicht von uns Menschen erfahren darf. Bitte bleiben Sie
seine treuen Menschen für sein ganzes Hundeleben.
Nun, wer nach dieser Antwort noch daran denkt, seinen Rüden kastrieren zu lassen, dem
ist wohl nicht mehr zu helfen. Ausserdem sind mir genügend Fälle bekannt, wo
hyperaktive und aggressive Hunde durch die Kastration ruhiger werden sollten, aber in
den mir bekannten Fällen, blieb diese Wirkung völlig aus.
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