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18.11.99 --
Paul Cech
Re: Jäger?Machen sie den Hund an die leine!
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Hubertus Doehring wrote:
Servus Hubertus!
Ich kann Dir leider nur folgenden Artikel eines
'Jungjägers' schicken, der in der Zeitung 'Der Anblick'
(www.anblick.at) erschienen ist.
Der Artikel ist nicht von der Sekretärin meiner Tante und
dessen Bruder eventuell über die Kellnerin des
Stammlokals.... sondern ein offizieller Artikel einer ganz
offiziellen Jagdzeitschrift aus Österreich:
(Titel)
Jagdfieber - Lust am Töten?
Vordersteinbach, im November 1999
Lieber Lehrprinz, (Anm. offenbar eine Art 'Briefkasten-Tante')
wie viel haben wir beide schon philosophiert über die
Ursprünge des
Jagdfiebers, die freiwerdenden Emotionen vor und nach dem Schuß?
Und ein bisserl habe ich dabei auch herausgehört, daß einer kein
rechter Jäger sein kann, der niemals davon befallen ist.
Selbst alte
Hasen wie Du, die schon so lange erfolgreich jagen, können ihre
Gefühle in manchen Situationen nicht völlig beherrschen +endash;
und erst recht solche Jungjäger wie ich haben damit manchmal
gar arg
zu kämpfen. Besonders dieser Tage, wo allerorts Hubertusjagden
und -messen veranstaltet und sinnige Ansprachen gehalten werden,
nach.
In meinem Fall ist es recht unterschiedlich, ob mich
austretendes Wild
in Jagdfieber versetzt oder nicht. In scheinbar gleichen Situationen
Schußabgabe einen kühlen Kopf zu bewahren, das Fadenkreuz
zentimetergenau am Wildkörper zu plazieren und das todbringende
Geschoß zu entsenden, und ein anderes Mal reicht schon der bloße
Gedanke an einen möglichen Schuß, um das Stück aus dem Sehfeld
des Guckers zu wackeln.
Beim näheren Hinsehen fällt aber auf, daß sich die jagdlichen
Situationen sehr wohl unterscheiden. Je länger ich nämlich erfolglos
im Revier unterwegs war und je stärker bzw. jagdlich „wertvoller'
ein Stück ist, um so heftiger steigt die Unruhe. Ein schwaches
Rehkitz ist weniger aufregend als der erste passende Hirsch,
den man
nach unzähligen erfolglosen Ansitzstunden endlich in Anblick
bekommt.
Manchmal denke ich, daß Jagdfieber nichts anderes ist als die
aufgestaute Angst, in den kurzen Augenblicken der
tatsächlichen Jagd
zu versagen +endash; z.B. schlecht oder gar etwas Falsches zu
schießen.
An anderen Tagen glaube ich, daß Jagdfieber nur ein
Instinkt ist, der
uns Jäger im Anblick der Beute mit reichlich Adrenalin vollpumpt,
um für den „Kampf' mit dem Beutetier gewappnet zu sein +endash;
voller Kraft, bereit zu reflexhaftem Handeln. Dasselbe
Unterbewußtsein, das Wildtiere fliehen läßt, wenn sich vorsichtig
schleichende Gestalten nähern, sagt dem Jäger: „Das ist dein
Beutetier, jetzt ist deine einzige Chance!' Und mit ebensolcher
Klarheit und archaischer Kraft stoßen Drüsen Hormone aus, um
Sehnen und Muskeln wie eine Bogensaite zu spannen und der Beute
aus dem Stand an die Kehle springen zu können. Jedem
wohlerzogenen Hochsitz-Sitzer fällt das jedoch schwer.
An wieder anderen Tagen meine ich, das Jagdfieber ist die
Unruhe in
unserem Gewissen, die uns vor Augen halten will, wie weitreichend
die Folgen unseres Tuns sind: Kein Papp-Reh steht vor uns am
Schlag, sondern der fünfjährige Sechser mit dem markanten
Riß im
rechten Lauscher. Er hat entbehrungsreiche, harte Jahre
hinter sich
und steht nun in der Vollblüte seines Lebens. Er ist der
Platzbock. Er
ist gesund. Er wird sich fortpflanzen. Ihn freut jeder Tag seines
Lebens +endash; und ich Jäger blase mit einer
Fingerkrümmung sein
Lebenslicht aus.
Viele Fragen sind es, lieber Lehrprinz, die sich auftun,
wenn man
übers Jagen sinniert. Sind wir zu verweichlicht zum Töten,
oder ist
das Töten anderer Lebewesen unsere wahre Natur? Jagen wir
vielleicht nicht nur der Freude wegen und weil wir in der schönen
Natur sind, sondern nur für die Überdosis Adrenalin? Jagen nur
wegen dem „Kick', den uns der Schuß auf ein Stück Wild
bringt so
wie dem Skysurfer der Sprung aus dem Flugzeug?
Wenn die Jagd nicht so facettenreich wäre, ließe sich eine Antwort
leichter finden. Aber die Palette unter uns Jägern reicht von
zu jenem, der den Rehbock lieber bei der Fütterung sieht als
in der
Wildkammer. Und ich bewege mich irgendwo zwischen diesen:
Nutzung, Hege, Freude +endash; alles muß irgendwie sein.
Dein Hubert
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