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26.07.99 -- Matthias Walter

Re: Wer empfielt Buch über Clicker?














Liebe NG,

ich lese nur noch sporadisch mit, aber was in den letzten Tagen von diesem Peter kam, das ist sehr heftig. Das weckt sogar Newsgrouprentner ;-)) wieder auf! Ich werde nicht direkt auf seine Postings eingehen, denn dieser Mensch schreit nach negativer Zuwendung. Motzt ihn an und es geht ihm gut. Aber das Thema Clickertraining ist doch zu wertvoll, um es so vermiesen zu lassen.

in der Nachricht: «379c8552.33671599@news.btx.dtag.de» schrieb Wolfgang_Stichler@t-online.de (Wolfgang Stichler):

Danke Wolfgang, solche Rückmeldungen machen Freude. Clickertraining sollte man nicht einfach auf Blechfrosch und Leckerchen reduzieren, das wäre zu kurz gegriffen. Und für alle mehr historisch orientierte Hundler möchte ich auch nicht vergessen zu sagen, daß diese Methode ihre Ursprünge schon in den 60er Jahren und früher hat. Skinner, Bailey, Pryor, um nur mal ein paar Namen zu nennen sind schon seit vielen Jahren ein Begriff. Ich könnte jetzt auf die wirklich guten Webseiten zu diesem Thema verweisen. Aber da ich, ähnlich wie auch Martin (und hoffentlich Thomas) ein Optimist bin, versuche ich doch etwas zum Hintergrund zu schreiben. Vielleicht wirkt's?

Im Unterschied zur konservativen Ausbildung, wo bereits im Aufbau (beim Lernen) mehr oder weniger starker Zwang ausgeübt wird, wird beim operanten Konditionieren Verhalten verstärkt (= es wird häufiger gezeigt), welches der Hund von sich aus anbietet. Daher auch das Vorurteil, daß alles so lange dauert und so viele Schritte erfordert. Das mit den vielen Schritten ist richtig, aber so furchtbar lange muß es nicht dauern. Das hängt von den Fähigkeiten des Trainers ab, das erwünschte Verhalten mit dem richtigen Timing zu verstärken, und von der Fähigkeit des Trainees (in diese Fall des Hundes) ab, Verhalten anzubieten. Das letzte klingt vielleicht etwas seltsam, aber da gibt es große Unterschiede. Gerade Hunde, mit denen immer auf die 'harte Tour' gearbeitet wurde, sind erschreckend monoton und eingeschränkt, wenn es um das Anbieten von Verhalten, das 'Ausprobieren' geht. Wieso ist das so? Das 'Ausprobieren' bedeutet auch, mal etwas falsches zu versuchen. Und genau das wird von den konservativen 'Abrichtern' als Befehlsverweigerung (obwohl der Hund den 'Befehl' noch gar nicht verknüpfen kann) gewertet. Dadurch wird das freie operante Verhalten konsequent unterdrückt oder bestraft. Solche Tiere brauchen relativ lange, bis sie wieder anfangen auszuprobieren, für welches Verhalten Verstärkung möglich ist. Oft ist das einzige, was diese Hunde im Wahlverhalten anbieten, ein monotones Gebell. Das könnte (Thomas, Martin, was meint ihr?) daher kommen, daß auch 'Starkzwangabrichter' das 'gib Laut' nicht einprügeln können, sondern daß der Hund eher mit Futter oder Beißwurst gereizt (-» ins Wahlverhalten gebracht) wird und beim Bellen belohnt wird. Vielleicht erinnern sich die Hunde wieder an diese Situation, und reagieren daher auch nach Jahren im Wahlverhalten wieder mit Bellen. Das alles bedeutet, daß es gerade mit den hart ausgebildeten Hunden am Anfang recht schwer ist, mit Clicker zu arbeiten. Und damit haben die Konservativen sofort ein gutes Argument, nämlich, daß es nicht richtig klappt. Das zum Thema kleine Schritte und lange Dauer. Nein, vielleicht doch noch drei Sätze dazu. Ich habe mal mit einem Belgischen Schäfer-Mix angefangen mit Clicker zu arbeiten, und er hat nach 2 oder 3 Clicks genau kapiert, worum es geht. Nach wenigen Minuten machte er 'touch' auf die Hand und den Stick. Dieser Hund wurde durch mehrere Hundevereine 'gestachelt', und galt als bissig und schwer erziehbar...

Noch ein paar Sätze zur 'Leistung' (obwohl ich das fast nicht mehr hören kann :-(( .... ) Im Zusammenleben mit dem Partner Hund ist Leistung nicht alles. Hunde, die von der konservativen Ausbildung auf Clicker umgestellt wurden (man nennt das Crossover), ändern oft ihr ganzes Verhalten in einer wunderbaren Weise. Hat Thomas nicht mal geschrieben, daß man es mit einer sich öffnenden Blume vergleichen kann? Der Hund wird sichtbar munterer, orientiert sich oft und gern (!) an seinen Menschen, bietet von sich aus erwünschtes Verhalten an, ist in der Umwelt sicherer und zeigt mehr Neugier und Erkundungsverhalten. Das steht im krassen Widerspruch zum gedrückten und oft hilflosen Verhalten der gehorsam geprügelten Hunde. Man kann selbstverständlich auch sportliche Leistung mit dem Clicker erbringen, aber ich habe Verständnis dafür, daß das Hauptinteresse vieler 'Clickerer' bei den modernen Sportarten liegt. Im Agility, THS, Obedience kann und wird mit Clicker schon eine Menge Positives geleistet. Auf einem Agility-Trainerseminar war der Clicker so selbstverständlich, daß sich keiner mehr über das Geräusch gewundert hat. (Wir hatten aber einen Haufen sehr aufmerksamer Hunde ;-))) Einen ganz wichtigen Punkt sollte ich nicht vergessen. Das Verhalten, welches auf diese Art und Weise erlernt wurde, ist sehr lange abrufbar. Meiner Erfahrung nach ist es wesentlich stabiler, als Verhalten, welches mit Zwang oder Druck aufgebaut wurde. Martin hat mit seiner Aussage 'Langzeitoptimierung versus Kurzzeiterfolg' völlig recht.

Zum Schluß noch etwas über den 'Clicker-Mensch'. Auch er macht ein 'Crossover', eine Veränderung durch. So mancher sieht sich selbst plötzlich in einem ganz anderen Licht. Der Spiegel der eigenen Unfähigkeit (Thomas hat das mal gesagt) ist eine harte Lektion. Jede Antwort, die man findet, wirft wieder neue Fragen auf. Man beginnt selbst zu lernen, möchte immer mehr wissen, und merkt, wie wenig man doch bisher von Lernen und Ausbildung verstanden hat. Gleichzeitig sieht man, welche Möglichkeiten man bisher 'verpennt' hat, und wie sehr man doch die Beziehung zu seinem Hund durch unnötige Strafen belastet hat. Am Ende hast Du nicht nur einen anderen Hund, sondern bist auch ein wenig ein anderer Mensch geworden.

Ich hoffe, lieber Peter, und alle anderen Skeptiker, daß ihr auch diesen Weg machen dürft, es ist eine Erfahrung, die ich nicht mehr missen möchte. Und euren Hunden wünsche ich das ganz besonders.

Viele Grüße und viel Erfolg mit euren Hunden wünscht,

Matthias.
Thema: Clicker


 
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