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Lieber Micke,
danke für Deine online/offline- Infos, ich probiere sie grade aus. Wenn Du den Brief liest, hats also geklappt. Ich stimme Dir zu, daß es mit Deiner Methode in den meisten Fällen schneller funktioniert. Auch mein Weg führte über diverse Erziehungsmethoden, aber ich habe mich seit einigen Jahren der gewaltfreien Ausbildung verschrieben. Das heißt, ich bemühe mich um Verständigungsmöglichkeiten, die nicht in irgendeiner Form schmerz- oder angstauslösend sind. Das ist oft ziemlich schwierig, gerade bei älteren Hunden, aber es geht. Es bedarf dabei eines intensiven Einsatzes des Hundeführers, und in der direkten Arbeit mit Leuten bin ich dabei auch kompromißlos: Wer nicht bereit ist, diesen Einsatz zu bringen, muß auf meine Unterstützung verzichten. Bei meinen online-Tips versuche ich auch, die Menschen zum Umdenken zu bewegen, aber ich habe dabei keinen missionarischen Eifer: Wer meint, mit seinen Methoden besser zu fahren, soll sie anwenden. Die Hunde, die zu mir in die Therapie kommen, sind aber in der Regel solche, bei denen "herkömmliche" Erziehungsmethoden versagt haben oder die erst aufgrund diverser Methoden zum Problemhund wurden. Mein Ziel ist ein Hund, der freudig gehorcht, nicht aus Angst vor Strafe. Viele Ausbilder arbeiten mit einer Mischform, z.B. versuchen sie, über Beute- und Futtertrieb zu motivieren, wenden aber gleichzeitig disziplinarische Maßnahmen wie Leinenruck an. Ein Hund, der mit Leinenruck erzogen wird, hat es unglaublich schwer: Abgesehen davon, daß ihm der Ruck Schmerz zufügt (wer sich einbildet, einen harten Ruck am Hals zu verspüren, mache einem Hund nichts aus, irrt: Warum reagiert der Hund, wenn nicht aus Angst vor einer Wiederholung?), benutzt der Hundebesitzer diesen Ruck meist nie für nur ein Kommando, z.B. nicht ziehen. Der Hund bekommt außerdem einen Ruck, wenn er nicht prompt "Sitz" oder "Platz" macht, wenn er bellt, wenn er Leute anspringt usw. Jeder einigermaßen informierte Hundebesitzer weiß, daß für ein bestimmtes Kommando immer nur ein und der selbe Befehl verwendet werden soll. Beim Thema Leinenruck denkt aber derselbe Hundebesitzer keine Sekunde darüber nach, woher nun der Hund wissen soll, was gerade von ihm erwartet wird: Soll er langsam gehen? Soll er nicht bellen? Soll er sich hinsetzen? Die Folge ist eine totale Verunsicherung. Psychisch robuste Hunde reagieren, indem sie überhaupt nicht mehr reagieren. Mag Herrchen an der Leine zerren, wie immer er will, der Hund "gehorcht" nicht oder nur für Sekunden. Die Konsequenz für diese Hunde ist dann häufig, das normale Halsband durch einen Stachelwürger zu ersetzen, damit der Hund endlich "kapiert" was er soll. Weniger stabile Hunde gehen ins Meideverhalten. Sie wissen nicht, was von ihnen erwartet wird, haben Angst vor dem Schmerz und kriechen entsprechend unterwürfig neben ihrem Herrn her. Ein Hund, der nach einem Ruck mit eingeklemmter Rute, in geduckter Haltung gehorcht, hat nichts gelernt, außer, daß ihm weh getan wird. Wenn man sich jetzt noch vorstellt, daß dieser Hund für eine Prüfung in der korrekten "Fuß"-Position auch noch dicht an das Bein seines Herrn gedrängt mit Blick in dessen Gesicht gehen soll, kann sich sicher unschwer vorstellen, in welchen Nöten der Hund ist. Eigentlich möchte er lieber einen Sicherheitsabstand wahren - denn Vertrauen zu seinem Herrn hat er nicht - wird aber über weiteren Schmerz (Tritt vor die Brust, auf die Pfoten, Heranzerren an der Rute) zu engstem Körperkontakt gezwungen. Beobachte mal einen solcherart ausgebildeten Hund und beantworte Dir die Frage, ob der Hund dabei einen glücklichen Eindruck macht.
So, das wars mal wieder, liebe Grüße, Jutta
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