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Hi Andrea,
ich habe einen verhaltensgestörten Hund einschläfern lassen. Ob es die richtige Entscheidung war, weiß ich bis heute nicht. Als wir den Hund bekamen, war er knapp drei Jahre alt, wir waren die achten (!!!) Besitzer. Er wurde abgegeben, weil das vorige Besitzerpaar sich (angeblich) getrennt hat und keiner den Hund behalten konnte. Toni war ein Schnauzer+irgendwas-Mix. Die erste Woche verlief ganz nett, bis auf dass er auf Anspache in keinster Weise reagierte. Dann ging es langsam los. Er biss unserem damals fast zweijährigen Sohn in's Gesicht, am seinem linken Augenunterlid war nicht eine Wimper mehr vorhanden. Schwein gehabt. Da dachten wir noch die blöde Situation (Sohn hatte Salamibrötchen im Hochstuhl gegessen) war ausschlaggebend. Ein paar Wochen später ging unsere fast vierjährige Tochter durch die Wohnzimmertür und ohne erkennbaren Grund kam Toni hinter dem Kind angerannt und biss auch ihr mitten in's Gesicht. Eine Weile später gebärdete er sich jedesmal wie ein Irrer, wenn er Farbige sah. Das war etwas schwierig, denn einer unserer Nachbarn war ein Schwarzafrikaner der das nicht so witzig fand. Bei einem Spaziergang biss der Hund sich von seiner Leine ab, erlegte innerhalb von Sekunden acht Hühner und zerfetzte einer Kuh ein Hinterbein. Wir haben es dann mit Maulkorb versucht, das hielt den Hund aber nicht davon ab, seine Attacken auf jeden alten Menschen, Menschen in Anzügen oder Overalls und Tiere jeglicher Art auszuweiten. Zwei Verhaltenstherapeuten haben bei diesem Hund resigniert, auch eine medikamentöse Therapie hat keinerlei Veränderung gebracht. Organisch soll dieser Hund völlig in Ordnung gewesen sein. Wir haben dann für zwei Wochen in eine Hundeschule gebracht, die auf Verhaltensprobleme spezialisiert war, und hofften dass sie Toni helfen könnten, da es ja oft auch am Halter liegt wie der Hund sich zeigt. Von dort bekamen wir ihn wieder mit dem Hinweis, dass der Hund sehr nett ist solange er ganz allein ist, aber sein Umweltproblem sei zu tief verankert als dass sie etwas erreichen könnten. Das war der Punkt an dem ich anfing darüber nachzudenken, Toni abzugeben. Nur... dann hätte er vielleicht den neunten Besitzer bekommen. Und eigentlich wusste ich auch gar nicht wem man diesen Hund überhaupt zumuten/zutrauen kann. Wenn ich ehrlich die Vorgeschichte erzählt hätte, hätte ihn sowieso keiner freiwillig genommen, aber verschweigen hätte ich es auch nicht können. Deshalb ist nach vierzehn Monaten die Entscheidung gefällt worden ihn auf seinem letzten Gang zum TA zu begleiten. Auf der Fahrt dorthin und auch im Wartezimmer habe ich das erste Mal das Gefühl gehabt, dass Toni mich wahrnimmt und mir zuhört. Er hat mich sogar angeschaut was er bis dahin nicht einmal getan hat. Ich habe zu meinem Mann gesagt 'lass es uns nochmal versuchen, sieh ihn dir an, er kann doch anders sein'... aber mein Mann meinte dass ich mir etwas vormache und dass wir die Sache nun auch zugunsten des Hundes durchziehen werden, der Hund würde unter seinem eigenen Verhalten schließlich auch leiden. Toni ist dann ganz friedlich und entspannt in meinen Armen eigeschlafen. Obwohl ich nicht weiß, ob es richtig war, denke ich dass diesem kleinen Kerl eine Menge Leid erspart geblieben ist :-(
Gruß,
Claudia
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