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Der letzte Tag des W. (Name aus Rücksicht gegenüber der hinterbliebenen Familie geändert und abgekürzt)
Der letzte Tag des W. war der 1.8.2000. Zum ersten Mal seit Wochen ging in seiner Heimat, dem südlichen Hang eines nicht weiter wichtigen Dorfes, die Sonne auf. W. reckte und streckte sich, tippelte zu seiner Haustür, streckte die Nase ungläubig heraus und schnuffelte höchst erfreut durch die frische Luft eines tollen Tages.
W., Vater von über 300 tüchtigen jungen Feldmäusen, pfiff erstmal ein mutiges Mäuselied und machte sich auf, für seine Frau und seine jüngsten, noch daheim lebenden Kinder, ein paar nette saftige Regenwürmer, knusprige Grillen und proteinreiche Heuschrecken zu suchen. Seine Frau meinte noch, er solle Regenwürmer meiden, die wären derzeit eh zu oft auf dem Tisch. Schnecke wäre nicht verkehrt.. W. nickte nochmal aufrichtig seiner Frau zu. Es sollte das letzte Mal sein, das er sie zu Gesicht bekommt.
Sein Blick ging sorgsam über den blauen Himmel, ein gezielter Blick versicherte ihm, das kein Bussard dort oben kreist. Er hob seinen Oberkörper an und schaute sich die Umgegend an. Keine Katze in Sicht. Perfekt, dachte sich W.
Hätte W. seinen Blick doch nur wenige Sekunden länger den Feldweg entlangschweifen lassen, hätte ihm das Dreiergespann auffallen müssen, das sich wie das jüngste Gericht den Weg zu ihm bahnte. Vielleicht aber war er durch die ebenfalls im Osten stehende Sonne etwas geblendet und konnte das drohende Ungemach nicht erkennen.
W. schärfte seinen Gehörsinn nach dem typischen Rascheln und Zirpen der knusprigen Grillen, die heute endlich mal den Küchentisch zieren sollten. War es seine Konzentration, die die typischen menschlichen Laute und das dampflokartige Geschnaufe zweier Hunde für ihn nicht hörbar machte? Oder war es das milde Rascheln im Gras, das durch den sanften Wind erzeugt wurde? Warum reagierte W. nicht, als plötzlich um ihm herum sich die Landschaft partiell verdunkelte, und dieser Schatten eindeutig die Konturen zweier spitzer Hundeohren aufwies? Wo plötzlich alle Grillen nicht mehr zirpten?
Als sich W. erstaunt umdrehte und in die böse funkelnden Augen (blau und dunkelbraun) und die aufgerichteten Ohren des Hundes blickte, ahnte W., das nun alles vergeblich ist, was er auch tut? Was dachte er, als in Sekundenbruchteilen der Hund den Schlund aufriß und auf ihn zusprang? Als er die blitzenden, scharfen und spitzen Fangzähne auf sich zukommen sah? Hörte er noch den Ausruf des Menschen: "Aisha, du hast doch gefrühstückt!" oder war er schon tot?
Fragen über Fragen. Heute, in der Wiese am Südhang von Stornfels.
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